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Schwule Väter: “Wir sind eine sehr klassische Familie“

Zwei Väter reden Klartext

Schwule Väter: “Wir sind eine sehr klassische Familie“

Ihre Pflegekinder nennen sie Papa und Papi, und Stephan Auer-Stüger und Thorsten Auer finden: Ihren Alltag als schwule Väter leben sie wie eine klassische, konservative Familie. Für Regenbogenfamilien wie sie, aber auch für Hetero-Familien mit unerfülltem Kinderwunsch haben sie einen besonderen Verein gegründet.

Mann am Herd: Thorsten Auer steht in seiner modernen Küche in einer Wiener Gartenwohnung und bereitet das Essen zu. Während das Öl in der Pfanne heiß wird, erzählt er vom Familienalltag. Er arbeitet 30 Stunden pro Woche und führt den Haushalt größtenteils allein. „Das macht mir großen Spaß“, sagt er und stellt die Flamme am Herd kleiner.

„Das alltägliche Leben verbringen die Kinder mehr mit mir, vom Hausübungenmachen bis zum Zähneputzen. Mein Mann Stephan ist Frühaufsteher und für das Frühstück zuständig, er arbeitet Vollzeit. Am Wochenende tobt und albert er dafür mit den Kids herum.“

Familienalltag als schwule Väter

Thorsten Auer und sein Mann Stephan Auer-Stüger haben zwei Pflegekinder: einen achtjährigen Buben und ein sechsjähriges Mädchen. Die beiden sind leibliche Geschwister und wohnen schon seit dem Säuglingsalter bei dem schwulen Paar. Damit ist die Familie eine so genannte Regenbogenfamilie – ein homosexuelles Paar, das Kinder hat. Dass sie gemeinsam Kinder großziehen möchten, haben die Pflegeeltern ganz bewusst entschieden. „Wir wollten etwas machen, das uns verbindet“, erzählen die beiden. Die zwei Männer erinnern sich noch gut an die erste Zeit mit den Kindern. Im Anschluss an psychologische Einschulungen und praktische Vorbereitungskurse konnten sie ihren Sohn schon wenige Wochen nach der Geburt im Krankenhaus abholen. „Wir waren damals in einer Art Stillstandsblase“, erinnert sich Stephan Auer-Stüger. „Du drückst in deinem normalen Leben auf Pause. Alles andere ist in diesem Moment völlig irrelevant.“

Während Thorsten Auer insgesamt drei Jahre in Karenz war, nahm sich Stephan Auer-Stüger bei der Ankunft beider Pflegekinder einen Papamonat beziehungsweise eine dreimonatige Karenz. „Im Grunde ist bei uns alles sehr klischeehaft.“, sagt er, „Wer daheim bleibt, war davon abhängig, wer mehr verdient.“

Ankommen in der Regenbogenfamilie

Die Anfangszeit mit den Kindern habe erstaunlich gut geklappt. „Wir sind beide Streber und hatten uns bestens vorbereitet“, sagt Thorsten Auer mit einem Lachen. Außerdem haben sie die zahlreichen Tipps von anderen Eltern gerne aufgenommen. Pflegekinder brauchen anfangs besonders viel Ruhe, da sie sogar schon als Säuglinge oft schon mehrere Stationen hinter sich haben. „So ein Kind ist angespannt und muss erst einmal ankommen. Unser Bub hat zu Beginn nur geschlafen, sich ausgerastet und war generell sehr ruhig“, sagt Thorsten Auer.

Von wegen Glamour: Regenbogenfamilie mit traditionellen Werten

Heute ist die anfängliche Aufregung vorbei, längst hat sich alles eingespielt. Während die Kinder draußen Fahrrad fahren und herumtoben, kochen die Eltern und bereiten sich auf den nächsten Arbeitstag vor. Wer eine klischeehafte schwule Glitzer- und Glamourwelt erwartet, wird enttäuscht. „Hier wohnt ja nicht Elton John“, sagt Stephan Auer-Stüger nicht ohne Ironie. „Bei uns geht es ganz normal, fast schon fad zu“, pflichtet ihm sein Mann Thorsten bei. Als schwule Väter sind für sie traditionelle Werte wichtig, wie zum Beispiel das tägliche gemeinsame Abendessen. „Wir sind eigentlich eine sehr klassische, konservative Familie“, finden die beiden. „Erstens wollen wir das so und zweitens sind Strukturen und geregelte Abläufe für Pflegekinder sehr wichtig.“

Pflegekinder brauchen viel Aufmerksamkeit

Die beiden Pflegekinder werden einmal im Monat von ihrer leiblichen Mutter besucht. Sie wissen über ihre Situation Bescheid. „Ihre Familiengeschichte nehmen sie natürlich ins Leben mit, das merkt man immer wieder“, sagen die Eltern. Wer ein Pflegekind aufnehme, müsse sich darüber im Klaren sein, dass es neben normalen Alltagsproblemen immer wieder auch zusätzliche Belastungen gebe. Gerade deshalb ist es dem schwulen Paar wichtig, trotz Kinder auch Zeit zu zweit zu verbringen. „Uns muss es gut gehen und wir müssen stabil sein, damit es die Kinder bei uns guthaben.“

Schwule Väter: Pflegeeltern aus ganzem Herzen

Eltern sein zu dürfen, bedeutet dem homosexuellen Paar sehr viel. „Es ist schön, eine gemeinsame Aufgabe zu haben und etwas weiterzugeben“, sagt Stephan Auer-Stüger. Er findet es spannend, wie sich Kinder entwickeln. „Außerdem beschäftigt man sich automatisch mehr mit sich selbst und mit seiner eigenen Kindheit.“ Sein Mann Thorsten sieht das ähnlich: „Wir haben eine sehr innige Beziehung zu unseren Kindern, das gibt einen tiefen Sinn im Leben. Diese Liebe, die man retour bekommt, ist einmalig.“

Papa und Papi

Und wie reagieren die Kinder darauf, dass sie zwei Väter haben? „Sie wissen, dass die meisten anderen Kinder auch eine Mama haben. Aber ihnen ist auch bewusst, dass es heute sehr viele verschiedene Familienkonstellationen gibt“, erklärt Stephan Auer-Stüger. Die beiden Eltern werden von ihren Kids „Papa“ und „Papi“ genannt. Weibliche Bezugspersonen gibt es auch: Lehrerinnen, die Oma oder die Schwester. „Natürlich merken wir, dass es besonders unsere Kleine genießt, auch mal Zeit mit Frauen zu verbringen – das ist aber keine große Sache“, so Thorsten Auer. Viel mehr Herausforderung sei die Tatsache, dass Pflegekinder von vornherein mehr belastet seien. Das erfordere eine gute Koordination von Familienleben, Therapiestunden, Berufsleben und Freizeit.

Apropos Freizeit: Die vierköpfige Familie ist im Winter gerne auf Skipisten unterwegs, im Sommer am Meer. „Auch da fallen wir als zwei Väter natürlich auf, es gibt aber eigentlich wenig Reaktionen, auch keine negativen“, sind sich die Pflegeeltern einig. Das schwule Paar hat ohnehin die Erfahrung gemacht, dass die Diskussionen in Politik und Medien der gesellschaftlichen Realität hinterherhinken. „Das war auch beim Thema Heirat so. Den meisten Menschen ist das egal, sie finden nichts Spannendes daran, wenn zwei Männer sich das Ja-Wort geben.“

Vorreiter für andere Regenbogenfamilien und Pflegeeltern

Stephan Auer-Stüger hat gemeinsam mit dem Verein FAmOS das Regenbogenfamilienzentrum Wien gegründet, um sich mit anderen homosexuellen Eltern auszutauschen. Mit ihrem Lebensmodell möchten sie auch ein Stück weit Vorreiter für andere schwule und lesbische Paare sein, die gerne eine Familie gründen würden. Außerdem wollen sie auch heterosexuelle Paare mit unerfülltem Kinderwunsch dazu Mut machen, sich über die Aufnahme eines Pflegekindes zu informieren: „Es gibt so viele Kinder in Krisenpflegefamilien, die eine eigene Familie bräuchten.“

Stephan Auer-Stüger und Thorsten Auer haben sich im Jahr 2008 kennengelernt. Seit 2012 sind sie verpartnert, seit März 2019 verheiratet. Ihre Pflegekinder sind sechs und acht Jahre alt. Der Bub ist in der zehnten Lebenswoche, das Mädchen am zweiten Tag nach der Geburt in die Familie gekommen. Um Treffpunkte mit anderen Regenbogeneltern zu ermöglichen, sind sie im Regenbogenfamilienzentrum Wien engagiert.