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Stark, stolz, alleinerziehend?
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Solo-Mütter und -Väter

Stark, stolz, alleinerziehend?

Auch wenn Alleinerziehende heute das Bild von Familie neu formen, ist ihr Alltag nach wie vor sehr herausfordernd. Von Vorurteilen, Strukturfehlern und inneren Nöten.

Alleinerziehend: Mit diesen Problemen kämpfen Solo-Mamas und -Papas

Als mein Ex-Mann sich vor zwei Jahren aus heiterem Himmel von mir getrennt hat, ist eine Welt für mich zusammengebrochen“, sagt Alina, 41, Physiotherapeutin aus Wien mit zwei Kindern. „Mir kamen in der Zeit danach ständig die Tränen. Und dann musste ich auch noch die ganzen praktischen Probleme in den Griff bekommen. Das war hart.“ In Österreich leben über 300.000 Ein-Eltern-Haushalte mit minderjährigen Kindern. Unter der Mehrfachbelastung, die alle Eltern kennen, leiden sie ganz besonders. Und obwohl die Solo-Mamas und Solo-Papas inzwischen eine gar nicht mehr so kleine Gruppe bilden, haben die meisten Menschen wenig Ahnung davon, wie ihr Leben wirklich ist.

1. Trennungs- und anderer Kummer

Der Weg ins Alleinleben mit Kind beginnt selten aus einer Laune heraus. Meist steht am Anfang eine Trennung – von Partnerin oder Partner, von gemeinsamen Plänen, manchmal auch vom Wunschbild einer „heilen“ Familie. Ob das Ende der Beziehung einvernehmlich, schleichend oder abrupt kam: Es ist ein Umbruch, der alles auf den Kopf stellt. Die Bewältigung braucht Zeit – auch, wenn man den Schritt selbst gewählt hat. Dazu kommen oft Gefühle wie Schuld, Zweifel oder auch Scham. Die Journalistin und Autorin Anne Dittmann schreibt in ihrem Buch „Solo, selbst & ständig“: „Eine Trennung mit Kindern ist ein heftiger Einschnitt, den man mit Unterstützung besser bewältigt. Ich wünschte, ich hätte mich schon viel früher um eine therapeutische Begleitung gekümmert.“

So erkennen Sie, ob Ihre Beziehung kaputt ist.

Als @jeskeano_ postet die Single Mom Jessica ihre Gedanken zum Alleinerziehen.

2. Das Problem mit der Zeit

Sie ist für fast alle Eltern ein knappes Gut, für Alleinerziehende aber quasi doppelt so knapp. Es fehlt die Entlastung durch einen zweiten Erwachsenen, jede Entscheidung muss allein getroffen und umgesetzt werden. Lena, 31, Studentin aus Linz, mit Marius, 3: „Oft liege ich nachts wach und grüble, ob ich alles richtig mache. Manchmal fühle ich mich verdammt allein und unsicher. Was ich mir nicht anmerken lassen will, denn sonst denkt mein Umfeld, ich hab’s nicht im Griff.“ Es fehlt auch die Zeit zum Durchatmen und Auftanken. Dazu kommt, dass viele Betreuungsangebote nicht flexibel ausgelegt sind. Kindergärten mit kurzen Öffnungszeiten, Schulferien ohne Ferienbetreuung, Abendtermine oder Schichtdienst im Beruf – all das wird zur logistischen Herausforderung. Besonders in Regionen mit mäßiger Verkehrsanbindung und für Menschen ohne familiäres Netzwerk verschärft sich die Lage. Oft lässt sich das nur durch das Zusammenschließen mit anderen Eltern lösen, ein Weg, der wirklich voranbringen und auch trösten kann. Denn Me-Time – ob zur Erholung, Weiterbildung oder einfach nur zum Freundetreffen – ist für viele Alleinerziehende ein seltener Luxus. Das macht erschöpft und häufig sogar krank: Solo-Eltern haben ein dreimal so hohes Risiko, an Depression zu erkranken, wie andere Eltern.

Rebecca Chelbea (@rebeccachelbea) macht Single Moms auf Instagram Mut.

3. Alleinerziehende und die Geldfrage

Alleinerziehende Familien gelten als die am stärksten armutsgefährdete Gruppe in Österreich. Die Gründe sind vielfältig – einer davon ist der Gender-Pay-Gap, also die Tatsache, dass Frauen immer noch deutlich weniger für die gleiche Arbeit verdienen. Und weil neun von zehn Solo-Eltern Frauen sind, wird die finanzielle Lage dort schneller schwierig. Ein Einkommen muss reichen für zwei oder mehr Menschen. Unterhalt bleibt häufig aus. Zwar kann in solchen Fällen in Österreich ein sogenannter Unterhaltsvorschuss von behördlicher Stelle aushelfen, aber nicht jede betroffene Person kennt diese Möglichkeit oder erfüllt die Voraussetzungen dafür. Dazu kommen gestiegene Wohnkosten, teure Kinderbetreuung und prekäre Jobsituationen. Sandra: „Ich bin seit fünf Jahren alleinerziehend, meine Tochter ist neun. Der Vater zahlt keinen Unterhalt, also arbeite ich als Reinigungskraft – morgens, damit ich nachmittags für mein Kind da sein kann. Es reicht gerade so. Wenn etwas kaputtgeht, krieg ich Panik.“ Viele Alleinerziehende arbeiten wie Sandra in Teilzeit – nicht, weil sie es wollen, sondern aus Mangel an Möglichkeiten. Die Folge: niedrige Einkommen und ebensolche Pensionen in der Zukunft. Finanzieller Support wie Familienbeihilfe oder Wohnbeihilfe helfen zwar, schließen die Lücken aber selten komplett. Besonders problematisch: Wer Unterstützung braucht, muss sich oft durch ein komplexes System kämpfen und mit wenig Energie viel Bürokratie bewältigen.

4. Der Spagat zwischen Job & Kind

Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist generell herausfordernd – für Alleinerziehende wird es schnell zur unlösbaren Aufgabe. Viele arbeiten unter ihrer Qualifikation, verzichten auf Weiterbildung oder nehmen Jobs an, die schlecht bezahlt, aber zeitlich vereinbar sind. Oft gelten sie als wenig attraktive Arbeitskraft. Sandra: „Einen Job als Sekretärin habe ich nicht bekommen, weil man dort Angst hatte, dass ich häufiger ausfalle – das hat mich total frustriert.“ Das Problem liegt nicht in der Motivation der Solo-Mütter und -Väter, sondern manchmal im fehlenden Entgegenkommen und meistens in den starren Rahmenbedingungen. Studentin Lena, 31: „Mein Tag beginnt um sechs: Frühstück, Kindergarten, dann ab in die Bib oder zur Vorlesung. Das ist alles unglaublich durchgetaktet, da ist kein Raum für Spontanes oder Spielerei. Was mir immer noch sehr schwerfällt: Lernen, wenn der Kleine schläft, denn dann bin ich meist selbst todmüde oder habe noch tausend andere dringende Dinge auf der Liste.“

5. Eltern bleiben trotz Trennung

Auch wenn man nach einer dramatischen Trennung den anderen vielleicht nie wiedersehen will – in der Realität bleibt man gemeinsam Eltern, am besten als getrennt Erziehende, was bedeutet: ständig Absprachen treffen, dem anderen entgegenkommen. Eine Riesen-Herausforderung, denn die eigenen Kinder liegen einem eng am Herzen, Kompromisse sind da richtig schwierig. Die gesetzlich bevorzugte „gemeinsame Obsorge“ in Österreich soll sicherstellen, dass beide Elternteile Verantwortung tragen. Doch was auf dem Papier gleichberechtigt klingt, funktioniert in der Praxis nicht immer. Ob es für das Kind oder die Kinder dabei besser ist, einen Hauptwohnsitz zu haben oder im Wechselmodell zwischen den Eltern zu pendeln, muss von Fall zu Fall überdacht werden. Alina: „Mit meinem Ex versuche ich gerade ein 50/50-Modell. Dadurch habe ich endlich auch Zeit für mich. Wenn ich mich heute mit den Kindern im Spiegel sehe, finde ich uns ein ganz cooles Team. Da fehlt gerade niemand.“ Der Redebedarf bleibt: Ob Arztbesuche, die Ferien oder Schulprobleme – all das braucht Offenheit und einen langen Atem. Unterstützung kann dabei sehr helfen, besonders, wenn neue Partner mit im Spiel sind. Denn wo das Miteinander gelingt, geht es auch den Kindern gut.

Alleinerziehende in Österreich

Der Anteil der Ein-Eltern-Familien an allen Familien mit Kindern lag 2023 bei rund 21 Prozent.
In absoluten Zahlen: Stand 2022 gab es 306.200 Alleinerziehende, davon sind etwa 90 Prozent Frauen.
43 Prozent dieser Haushalte gelten als armutsgefährdet – fast doppelt so viele wie Paarfamilien.
74 Prozent der alleinerziehenden Mütter sind erwerbstätig – oft in Teilzeit, oft schlecht bezahlt.
Für nur 32 Prozent der unter Dreijährigen gibt es einen Kinderbetreuungsplatz – ein Engpass, der
Alleinerziehende noch härter trifft als andere.

Solo erziehend, aber nicht allein: Hier gibt’s Hilfe

Weiterführende Buchtipps:

solo, selbst & ständig
Was Alleinerziehende wirklich brauchen

Anne Dittmann
Verlag: Kösel

Das Buch, das du vor dem Alleinerziehen gelesen haben musst
Sara Buschmann
Verlag: Komplett-Media
Raus aus der Mental-Load-Falle
Patricia Cammarata
Verlag: argon balance

Podcasts:

Das AE-Team – der positive Podcast für Alleinerziehende
PODCASTFABRIK I Sina Wollgramm & Silke Wildner
Auf Spotify

Papa Freischwimmer – Der Podcast für alleinerziehende Väter
Matthias & Luisa
Auf Spotify

Austausch in Gruppen & Workshops:

Infos über finanzielle Möglichkeiten:

Unterhaltsvorschuss & Familienbeihilfe:
Infos über das Bundesamt für Soziales und das Finanzamt.

Psychosoziale Beratung:

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