Immer mehr Bildschirmzeit: Übernimmt das Handy unser Leben?
am Smartphone – mit spürbaren Folgen für Körper und Psyche. Doch die gute Nachricht ist: Die eigene Bildschirmzeit lässt sich bewusst steuern. Wer das tut, gewinnt Lebensqualität und Achtsamkeit zurück.
Inhaltsverzeichnis
- Selbsttest: Bin ich handysüchtig?
- 1. Wie oft treffen Sie Freunde oder Bekannte?
- 2. Wo befindet sich Ihr Handy während solcher Treffen?
- 3. Können Sie Wartezeiten (z.B. auf den Bus oder beim Arzt) überbrücken, ohne dabei auf Ihr Handy zu schauen?
- 4. Was machen Sie, wenn Sie Ihr Handy zu Hause vergessen haben?
- 5. Wo liegt Ihr Handy in der Nacht?
- 6. Wie hoch ist Ihre durchschnittliche Bildschirmzeit?
- 7. Wie oft überprüfen Sie Ihr Handy, ohne wirklich einen Grund zu haben?
- 8. Was machen Sie, wenn Sie einen wichtigen Anruf oder eine Nachricht auf Ihrem Handy verpassen?
- 9. Nutzen Sie Ihr Handy häufig, um sich zu entspannen oder abzulenken?
- 10. Wie lange können Sie während eines Gesprächs oder einer Besprechung darauf verzichten, auf Ihr Handy zu schauen?
- Auswertung:
- Interview mit Psychotherapeutin Mag.a Sarah Rubenthaler: „Viele Menschen flüchten sich in die virtuelle Welt, um sich mit Problemen nicht auseinandersetzen zu müssen.“
- 1. Nomophobie: Nicht ohne mein mobiles Telefon auskommen. Wie kommt es zu dieser Form von Angst? Wie entsteht diese Abhängigkeit?
- 2. Wie merkt man, dass man bereits von Handyabhängigkeit betroffen ist?
- 3. Ist Entscheidungsmüdigkeit („Decision fatigue“) ein Grund dafür? Also, zum Beispiel wenn wir am Tag viele Entscheidungen (im Job) treffen, sind wir am Abend bereits müde und scrollen am Handy, anstatt schlafen zu gehen …
- 4. Kann Scrolling eine Art Verdrängungsmechanismus sein? Also, dass man sich zum Beispiel mit seinen Themen auseinandersetzen müsste und das durch Ablenkung vermeidet? Oder dass man unangenehme Gefühle verdrängt bzw. anstrengende Aufgaben prokrastiniert?
- 5. Fördert zu viel Bildschirmzeit die Einsamkeit?
- 6. Bemerken Sie Veränderungen bei Ihren Klientinnen und Klienten, dass deren soziale Fähigkeiten durch die Digitalisierung weniger werden?
- 7. Was hat sich hier bei den nächsten Generationen (Kinder und Jugendliche) bereits verändert?
- 8. Wie können Eltern hier gegensteuern?
- 9. Welche Tipps haben Sie zu einer Lebensgestaltung, in der wir nicht ständig von FOMO gesteuert werden, digital gestresst werden und ins digitale Burnout schlittern?
- 10. Welche Auswirkungen hat Doomscrolling auf unsere Psyche?
- 11. Hat die Benutzung von Smartphones & Co sonst noch Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit?
- 12. Was ist die maximale Bildschirmzeit, die Sie für Erwachsene für die Freizeit empfehlen würden?
- Interview mit dem Neurologen Prof. Walter Struhal: „Wichtig ist, wie wir die Zeit vor dem Bildschirm nutzen“
- 1. Herr Prof. Dr. Struhal: Es soll Studien geben, die darauf hinweisen, dass die Handynutzung zum Abbau der grauen Substanz des menschlichen Gehirns beiträgt. Können Sie uns dazu etwas sagen?
- 2. Und wie benutzt man sie richtig?
- 3. Dazu gibt es einen Begriff: „Brain Rot“, also die Verschlechterung des geistigen Zustands durch zu viel Online-Inhalt.
- 4. Das heißt, dass uns die digitale Welt „dumm“ macht?
- 5. Was sind das für gesundheitliche Probleme?
- 6. Warum ist das besonders schlimm für junge Menschen?
- 7. Was wissen wir bereits über die Auswirkungen auf die Gesundheit?
- 8. Kann man sagen, dass wir als Menschen nicht für die digitale Welt gemacht sind?
- 9. Woher kommt unser Drang nach Neuigkeiten?
- 10. Was raten Sie Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich vom digitalen Stress zu befreien?
- Mit diesen technischen Tipps behalten Sie Ihre Bildschirmzeit im Blick
- 1. Bildschirmzeit am Handy überprüfen
- 2. Tägliche Zeitlimits setzen
- 3. Ungestörte Morgen- und Abendzeiten definieren
- 4. Ablenkung mit Graustufen bewusst reduzieren
- 5. Apps und Benachrichtigungen einschränken
Selbsttest: Bin ich handysüchtig?
Smartphones sind aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken – doch ab wann wird die Nutzung problematisch? Finden Sie mit diesem kurzen Selbsttest heraus, wie abhängig Sie von Ihrem Handy sind.So geht’s: Beantworten Sie die folgenden Fragen und notieren Sie sich nach jeder Antwort die zugehörige Farbe.
1. Wie oft treffen Sie Freunde oder Bekannte?
- Mehrmals pro Woche (a)
- Einmal pro Woche (b)
- Nur gelegentlich bis selten (c)
2. Wo befindet sich Ihr Handy während solcher Treffen?
- In meinem Blickfeld (c)
- In meiner Hand- oder Hosentasche (b)
- Zu Hause / im Auto etc. (a)
3. Können Sie Wartezeiten (z.B. auf den Bus oder beim Arzt) überbrücken, ohne dabei auf Ihr Handy zu schauen?
- Ja (a)
- Nein (c)
- Gelegentlich (b)
4. Was machen Sie, wenn Sie Ihr Handy zu Hause vergessen haben?
- Ich fahre sofort nach Hause, um es zu holen (c)
- Ich ärgere mich, aber kehre nicht um, um es zu holen (b)
- Ich lasse mein Handy öfter bewusst zu Hause (a)
5. Wo liegt Ihr Handy in der Nacht?
- In einem anderen Raum (b)
- Griffbereit, neben meinem Bett (c)
- Es ist ausgeschaltet (a)
6. Wie hoch ist Ihre durchschnittliche Bildschirmzeit?
- 0-1 Stunden pro Tag (a)
- 2-3 Stunden pro Tag (b)
- Mehr als 3 Stunden pro Tag (c)
7. Wie oft überprüfen Sie Ihr Handy, ohne wirklich einen Grund zu haben?
- Nie (c)
- Gelegentlich (b)
- Sehr häufig (a)
8. Was machen Sie, wenn Sie einen wichtigen Anruf oder eine Nachricht auf Ihrem Handy verpassen?
- Es stört mich nicht besonders (a)
- Ich werde unruhig und versuche sofort, zurückzurufen oder eine Nachricht zu senden (c)
- Ich fühle mich ein wenig gestresst und rufe zurück (b)
9. Nutzen Sie Ihr Handy häufig, um sich zu entspannen oder abzulenken?
- Ja, sehr oft (c)
- Manchmal (b)
- Kaum oder gar nicht (a)
10. Wie lange können Sie während eines Gesprächs oder einer Besprechung darauf verzichten, auf Ihr Handy zu schauen?
- Ich kann problemlos auf mein Handy verzichten (a)
- Ich checke es gelegentlich während einer Pause (b)
- Ich kann es kaum aushalten und schaue oft auf mein Handy (c)
Auswertung:
Jede Farbe steht für eine bestimmte Punktzahl. Addieren Sie Ihre Punkte und suchen Sie sich Ihr Ergebnis heraus.
a: 0 Punkt
b: 1 Punkte
c: 2 Punkte
0 - 3 Punkte
Sie leben in einer reinen Zweckbeziehung zu Ihrem Handy und nutzen es nur, wenn Sie es auch wirklich brauchen. Immer und überall erreichbar zu sein? Das wollen Sie gar nicht! Echte Begegnungen sind Ihnen viel lieber.
4 – 10 Punkte
Sie haben Ihr Handy zwar nicht immer griffbereit, aber es gibt viele Momente, in denen Sie sich von dem Gerät ablenken lassen. Vielleicht könnten Sie sich bewusste Pausen einbauen und mehr Offline-Zeit schaffen, um Ihren Alltag ausgeglichener zu gestalten. Werfen Sie doch gleich mal einen Blick auf unsere Tipps, wie Sie ihre Bildschirmzeit besser im Blick behalten.
Mehr als 11 Punkte
Es scheint, als ob Sie viel Zeit mit Ihrem Handy verbringen und es fällt Ihnen schwer, sich von der digitalen Welt zu lösen. Sie könnten davon profitieren, bewusst digitale Detox-Phasen einzubauen und Ihre Handynutzung mehr zu reflektieren. Versuchen Sie, eine Balance zwischen der Online- und Offline-Welt zu finden.
Interview mit Psychotherapeutin Mag.a Sarah Rubenthaler: „Viele Menschen flüchten sich in die virtuelle Welt, um sich mit Problemen nicht auseinandersetzen zu müssen.“
Mag.a Sarah Rubenthaler ist Psychotherapeutin mit der Fachrichtung Psychoanalyse und arbeitet in ihrer Praxis in 1180 Wien. ACTIVE BEAUTY erklärt sie im Interview den richtigen Umgang mit dem Smartphone.
1. Nomophobie: Nicht ohne mein mobiles Telefon auskommen. Wie kommt es zu dieser Form von Angst? Wie entsteht diese Abhängigkeit?
Das Smartphone stellt einen treuen, ganztägig zugänglichen und geduldigen Begleiter für uns dar, der das Leben in vielen Dingen erleichtert. Neben all seinen positiven Eigenschaften kann es aber aus unterschiedlichen Gründen zu einem unverhältnismäßigen und somit gesundheitsschädigenden Konsum digitaler Inhalte führen. Meistens ist es eine Kombination aus mehreren Ursachen, die zu einer Nomophobie führt: Beispielsweise fürchten Betroffene Informationen, Neuigkeiten, Wichtiges zu verpassen – das Phänomen ist unter dem Begriff FOMO „Fear of missing out“ bekannt. Auch soziale Isolation, zum Beispiel als Folge einer Depression, Ängste sowie (emotionaler) Stress können beim Scrollen temporär vergessen werden. Für Viele ist schlichtweg Langeweile nur schwer aushaltbar, diese wird durch den Griff zum Mobiltelefon mit dem Dauerzugang zu Unterhaltungselementen und Informationen schnell beseitigt. Anzumerken ist auch, dass Entwicklerinnen und Entwickler von Social-Media-Apps mit psychologischen Kniffen arbeiten, die uns immer weiter scrollen lassen. Auch spielt das Belohnungshormon Dopamin eine Rolle, welches beim Konsum von neuen Inhalten ausgeschüttet wird.
2. Wie merkt man, dass man bereits von Handyabhängigkeit betroffen ist?
Ein klares Indiz jeglicher Sucht sind Entzugserscheinungen beim Unterlassen der Handlung. Ist man gereizt, verstimmt, verzweifelt, wenn der Akku einmal leer ist oder das Handy vergessen wurde? Betroffene verspüren einen starken Drang zum Griff nach dem Telefon. Wenn das nicht möglich ist, wird ständig darüber nachgedacht, was man verpasst haben könnte. Die Zeit am Smartphone steigert sich im Laufe der Zeit, ein bewusstes Reduzieren verursacht starkes Unwohlsein, oder gelingt gar nicht. Andere Lebensbereiche wie Arbeit, Schule, Hobbies, Freunde, Gesundheit, Ernährung werden zugunsten der virtuellen Realität vernachlässigt, weil das Handy ständig überprüft werden muss. Das kann zu sozialem Rückzug führen. Zusätzlich kommt es dann oft zu Schlaf- und Konzentrationsproblemen, Fahrigkeit und vieles mehr.
3. Ist Entscheidungsmüdigkeit („Decision fatigue“) ein Grund dafür? Also, zum Beispiel wenn wir am Tag viele Entscheidungen (im Job) treffen, sind wir am Abend bereits müde und scrollen am Handy, anstatt schlafen zu gehen …
Ja, denn am Ende des Tages fällt oft aus einer Erschöpfung heraus der Griff zum Handy leichter, als sich eine sinnvollere, gesündere Beschäftigung zu suchen. Es ist verlockend sich berieseln zu lassen, von einem Inhalt zum anderen zu scrollen, ohne sich Gedanken machen zu müssen.
4. Kann Scrolling eine Art Verdrängungsmechanismus sein? Also, dass man sich zum Beispiel mit seinen Themen auseinandersetzen müsste und das durch Ablenkung vermeidet? Oder dass man unangenehme Gefühle verdrängt bzw. anstrengende Aufgaben prokrastiniert?
Auf alle Fälle! Viele Menschen flüchten sich in die virtuelle Welt, um sich mit den realen eigenen Problemen, negativen Emotionen und unliebsamen Aufgaben aktuell nicht auseinandersetzen zu müssen. Leider bleiben diese aber bestehen, und somit ist die kurzfristige Ablenkung und die verspürte Erleichterung langfristig keine Lösung.
5. Fördert zu viel Bildschirmzeit die Einsamkeit?
Auf der einen Seite verhilft z.B. Social Media ja dazu, dass man „Gleichgesinnte“ findet. Auf der anderen Seite führt die Bildschirmzeit, die wir mit dem Smartphone verbringen, dazu, dass wir weniger vor die Tür gehen und dort echte soziale Kontakte knüpfen…Oft werden Bekanntschaften temporär stillgelegt, weil die einen beispielsweise in die Elternschaft abbiegen, während die anderen noch das Nachtleben genießen. Als Gegenmaßnahme sollte man sich fragen: Gibt es alte Freundschaften, die ich gerne reaktivieren möchte? Oder gibt es Dinge, die mir früher Freude gemacht haben oder die ich immer schon machen wollte, z. B. Sportkurs, Strickkurs, Wandergruppe, Laientheater etc.? Enge soziale Beziehungen können dann entstehen, wenn man ein gemeinsames Interesse teilt und sich wiederholt sieht. Deshalb sind Freizeitkurse, Universitäten, Schulen etc. gut geeignet, um Freundschaften zu etablieren und wieder aus der Einsamkeit herauszukommen. Freundschaften wollen natürlich gepflegt werden, daher ist es wichtig, Zeit zu investieren.
6. Bemerken Sie Veränderungen bei Ihren Klientinnen und Klienten, dass deren soziale Fähigkeiten durch die Digitalisierung weniger werden?
Ja. Einsamkeit und Langweile werden sofort mit dem Smartphone und deren Inhalten weggewischt, anstatt sich mit diesen zu konfrontieren und sich Gegenmaßnahmen und Bewältigungsstrategien auszudenken. Das führt oft zu noch mehr sozialer Isolation – ein Teufelskreis.
7. Was hat sich hier bei den nächsten Generationen (Kinder und Jugendliche) bereits verändert?
Sitzen Kinder zu viel vor ihren Bildschirmen, kann das natürlich Auswirkungen auf ihre soziale Kompetenz haben. Man denke an nonverbale Kommunikation, die online völlig untergeht, oder die Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien im persönlichen Umgang mit anderen Kindern etc.
8. Wie können Eltern hier gegensteuern?
Zunächst einmal mit gutem Beispiel vorangehen und das Handy weglegen. Kinder übernehmen Verhaltensweisen ihrer Bezugspersonen. So als Idee: Als gesamte Familie die Handys am Abend abgeben. Und meine weiteren Empfehlungen:
- Klare, feste Regeln für das Benutzen der Smartphones festlegen.
- Sperren diverser Apps bzw. Zeitlimits festlegen.
- Alternativen zum Handy schmackhaft machen.
- Kinder auch altersgerecht über den gesundheitsschädigen Einfluss von Smartphones aufklären.
Erfahren Sie, auf welche Regeln es beim Handy für Kinder ankommt.
9. Welche Tipps haben Sie zu einer Lebensgestaltung, in der wir nicht ständig von FOMO gesteuert werden, digital gestresst werden und ins digitale Burnout schlittern?
Ganz wichtig ist es, Interessen für Dinge zu entwickeln und jenen nachzugehen, die nichts mit Social Media zu tun haben. Man sollte sich zur Regel machen:
Persönliche Interaktion steht über der Nutzung von sozialen Medien! Das heißt: Bewusst mehr Zeit für Familie und Freunde einkalkulieren.
Handyfreie Zeiten einführen und das Handy hier auch wirklich weglegen.
Filtereinstellungen so festlegen, dass nur mehr Dingen aufpoppen, die mir wichtig sind.
Sinnvoll ist es auch, immer wieder mal nach dem Konsum von Social Media bewusst in sich reinzuhören: Was macht es mit mir? Wie fühle ich mich nach dem Scrollen durch diverse Apps? Darauf sollte dann sensibel reagiert werden, um etwaige Veränderung zu ermöglichen.
10. Welche Auswirkungen hat Doomscrolling auf unsere Psyche?
Doomscrolling ist die sich ständig wiederholende Konfrontation mit negativen Nachrichten durchs Scrollen. Dies kann verschiedene Gefühle wie Angst, Stress oder das Gefühl von Hilflosigkeit angesichts der Fülle an negativen Informationen auslösen, was sich auf die Stimmung, den psychischen Zustand allgemein negativ auswirken kann.
11. Hat die Benutzung von Smartphones & Co sonst noch Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit?
Ja. Da fällt beispielsweise der Druck mit rein, ständig erreichbar zu sein. Es kann zu Konzentrationsschwierigkeiten, Aggressionen und Schlafstörungen kommen. Auch steigen die eigene Unzufriedenheit und das Gefühl der Unzulänglichkeit durch die ständig proklamierten vermeintlich tolleren Leben der anderen Personen auf Social Media, was sich negativ auf das Selbstwertgefühl auswirken kann.
12. Was ist die maximale Bildschirmzeit, die Sie für Erwachsene für die Freizeit empfehlen würden?
So pauschal kann man das nicht sagen. Manche Personen verbringen viel Zeit mit ihrem Smartphone, ohne Probleme zu bekommen. Wenn jemand fünf oder sechs Stunden täglich am Smartphone verbringt, leiden aber sicherlich der Alltag und reale soziale Begegnungen im Leben der Betroffenen. Es sollte max. eine Bildschirmzeit von zwei Stunden angestrebt werden.
Interview mit dem Neurologen Prof. Walter Struhal: „Wichtig ist, wie wir die Zeit vor dem Bildschirm nutzen“
Prim. Assoc. Prof. Prof.h.c. PD Dr. Walter Struhal, MSc, FEAN ist Leiter der klinischen Abteilung für Neurologie am Universitätsklinikum Tulln. ACTIVE BEAUTY erklärt er die Folgen übermäßiger Internetnutzung für Folgen haben kann - und wir die digitale Welt richtig nutzen können
1. Herr Prof. Dr. Struhal: Es soll Studien geben, die darauf hinweisen, dass die Handynutzung zum Abbau der grauen Substanz des menschlichen Gehirns beiträgt. Können Sie uns dazu etwas sagen?
Es gibt dazu einen Begriff: „Digitale Demenz“, der ist schon über zehn Jahre alt. Heute sehen wir das aber viel differenzierter. Wir haben durch digitale Geräte einen Zugang zu Wissen, der für eine frühere Generation völlig undenkbar war. Und das ist ein Vorteil. Es geht also weniger darum, ob das Arbeiten an digitalen Geräten per se gut oder schlecht ist, sondern vielmehr darum, wie wir diese Geräte nutzen.
2. Und wie benutzt man sie richtig?
Ein digitales Gerät ist ein Werkzeug, ein Wissenswerkzeug. Wenn wir damit unser Wissen erweitern, können wir enorm profitieren. Wenn wir uns jedoch von unnötigen Informationen ablenken lassen, dann hat das keine positiven Auswirkungen. Deshalb ist es wichtig zu relektieren, was einem selbst gut tut. Wenn ich mich mit sinnvoller Information beschäftige, dann hilft mir das, mich weiterzuentwickeln. Wenn ich mich mit sinnlosen Neuigkeiten beschäftige, dann verliere ich nur Zeit und kann mit dem Gelernten nichts anfangen.
3. Dazu gibt es einen Begriff: „Brain Rot“, also die Verschlechterung des geistigen Zustands durch zu viel Online-Inhalt.
Das ist nachvollziehbar. Denn das Gehirn funktioniert so: Es legt sich Wissensinseln an. Zum Beispiel für Sprache, Kreativität oder motorische Fähigkeiten. Diese Inseln können durch Lernen und Erfahrungen weiter ausgebaut werden, indem neue, neuronale Verknüpfungen entstehen. Irgendwann habe ich einen großen Kontinent. Und dann tue ich mir leicht, mit diesem Wissen umzugehen. Das kann unser Gehirn nämlich perfekt. Wenn wir es jedoch mit Dingen füttern, die morgen schon wieder irrelevant sind, streuen wir permanent eine ganze Menge Sand in den gesamten Ozean, ohne unsere Wissensinseln zu erweitern.
4. Das heißt, dass uns die digitale Welt „dumm“ macht?
Nein, das kann man nicht sagen. Die digitale Welt ermöglicht uns einen Zugang zu Wissen, der vor 20 Jahren noch nicht möglich war. Wichtig ist, wie wir die Zeit vor dem Bildschirm nutzen. Wenn ich mich mit Themen beschäftige, die mich weiterbringen, dann kann ich davon, wie schon gesagt, profitieren. Aber wenn ich nur nach unnötigen Neuigkeiten suche, dann verschwendet mein Gehirn nur Energie.
5. Was sind das für gesundheitliche Probleme?
Die Folgen bei Jugendlichen reichen von geringfügigen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Übergewicht und Kopfschmerzen bis hin zu schwerwiegenderen Problemen wie Schlafstörungen. Auch die akademische Leistung kann darunter leiden. Eine exzessive Nutzung des Internets ist mit schlechteren Bildungsergebnissen verbunden. Die genaue Art dieser Zusammenhänge ist aber noch nicht ganz klar. Es ist wie mit dem Rauchen: Da wusste man auch erst nach 50 Jahren, wie schädlich es ist. Und Smartphones gibt es erst seit einigen Jahren. Deshalb lässt sich das alles noch nicht vollständig vergleichen. Aber wir können schon sagen, dass es Auswirkungen gibt, die sich insbesondere bei Jugendlichen negativ auswirken.
6. Warum ist das besonders schlimm für junge Menschen?
Wir können unser Gehirn in jedem Alter weiterentwickeln, aber je jünger man ist, desto leichter und fundamentalere Veränderungen sind noch möglich. In den ersten Lebensjahren entwickelt sich vor allem das emotionale System, und später beginnen wir, Wissen zu speichern und Netzwerke im Gehirn zu knüpfen. Die Pubertät ist eine besonders kritische Zeit, in der viele dieser Verbindungen neu geformt werden. Wenn das Gehirn in dieser Phase mit wenig stimulierenden Informationen überflutet wird, hat das langfristige Folgen. Die Phase von der späten Kindheit bis hin zum vollen Erwachsensein ist entscheidend für die Weichenstellung der weiteren Lebensentwicklung.
7. Was wissen wir bereits über die Auswirkungen auf die Gesundheit?
Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass Jugendliche, die mehr als vier Stunden täglich online sind, signifikante gesundheitliche Auswirkungen erfahren, insbesondere Schlafstörungen. Und was man außerdem dazu sagen muss: Jüngere Menschen, die mit digitalen Geräten aufgewachsen sind, haben keine Erfahrung damit, diese auch mal abzulegen. Ältere Generationen haben noch eine Zeit ohne Smartphones erlebt und wissen daher, wie es ist, ohne diese Geräte auszukommen. Diese Erfahrung fehlt den Jüngeren. Sie haben auch mehr Schwierigkeiten mit digitalem Stress und dem Phänomen der „Nomophobie“ – der Angst, ohne Smartphone zu sein. Übrigens ist diese Tendenz bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern.
Erfahren Sie hier mehr über den Beziehungskiller Smartphone.
8. Kann man sagen, dass wir als Menschen nicht für die digitale Welt gemacht sind?
In einer Studie wurde untersucht, wie stark der Stress durch einen Computerabsturz ist. Dabei wurde festgestellt, dass er mit den Stressreaktionen vergleichbar ist, wie wenn in der Steinzeit ein Säbelzahntiger aus dem Gebüsch springt. Nur reagieren wir nicht mehr drauf wie wir sollten, denn unser Körper bereitet uns gerade vor, aufzustehen und 10 Minuten zu Rennen.
9. Woher kommt unser Drang nach Neuigkeiten?
Das Gehirn ist evolutionsbedingt darauf programmiert, immer nach Neuigkeiten zu suchen – ein Mechanismus, der uns in der Steinzeit einen Überlebensvorteil verschaffte: Wo gibt es Nahrung? Wo droht Gefahr? Heute müssen wir dafür aber nicht mehr aufstehen und in die Welt hinauslaufen. Und das widerspricht unserer natürlichen Veranlagung.“
10. Was raten Sie Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich vom digitalen Stress zu befreien?
Es ist wichtig, dass jeder für sich selbst herausfindet, was einem guttut. Achten Sie auf Ihre „Psychohygiene“ – welche digitalen Inhalte tun mir gut? Welche machen mich stressig oder unglücklich? Besonders wichtig ist es, das Smartphone aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Der Bildschirm ist eine enorme Stimulation für das Gehirn, und das kann den Schlaf negativ beeinflussen. Und was auch wichtig ist: Wenn man sich auf eine Aufgabe konzentrieren möchte, sollte man das Smartphone bewusst weglegen. Unser Gehirn kann nicht gleichzeitig mehrere Dinge gut bearbeiten. Wenn ich mich auf etwas konzentrieren möchte, sollte das Handy außerhalb meiner Reichweite liegen. Das hilft, die Aufmerksamkeit auf die Sache zu lenken und den digitalen Stress zu reduzieren.
Mit diesen technischen Tipps behalten Sie Ihre Bildschirmzeit im Blick
1. Bildschirmzeit am Handy überprüfen
Um seine Bildschirmzeit besser einschätzen zu können, ist es wichtig, Zeitfresser zu entlarven. In den Einstellungen können Sie sehen, wie viel Zeit Sie täglich am Smartphone verbringen.
- iOS: unter Einstellungen > Bildschirmzeit
- Android: unter Einstellungen > Digitales Wohlbefinden und Kindersicherung
2. Tägliche Zeitlimits setzen
Überlegen Sie sich bewusst, wie viel Zeit Sie tatsächlich täglich auf Ihrem Smartphone verbringen möchten. Zum Beispiel maximal zwei Stunden Bildschirmzeit pro Tag. Damit Sie diese dann auch einhalten, stellen Sie diese Zeitlimits direkt in Ihrem Smartphone ein.
- iOS: unter Einstellungen > Bildschirmzeit > Auszeit
- Android: unter Einstellungen > Digitales Wohlbefinden und Kindersicherung bei Ziel für Bildschirmzeit ein Ziel setzen und mit OK bestätigen.
3. Ungestörte Morgen- und Abendzeiten definieren
Um nicht immer wieder dazu zu verführt werden, am Morgen als erstes nach dem Handy zugreifen oder bis drei Uhr in der Früh beim Endless-Scrollen verloren zu gehen, können Sie ungestörte Morgen- und Abendzeiten definieren.
- iOS: unter Einstellungen > Bildschirmzeit > Auszeit
- Android: unter Modi und Routinen auf Hinzufügen von Modi tippen und einen eigenen Abend- und Morgenmodus definieren. Sie können auch den Schlafenszeitmodus dafür verwenden.
4. Ablenkung mit Graustufen bewusst reduzieren
Icons von Apps wie Instagram & Co. sind bewusst bunt gehalten, damit wir auf sie aufmerksam werden und automatisch draufklicken. Um Sie nicht abgelenkt werden, sobald Sie auf Ihr Handy schauen, können Sie einfach in den Schwarz-Weiß-Modus wechseln. Dann wird das Display nur mehr in Graustufen angezeigt.
- iOS: unter Einstellungen > Bedienungshilfen > Anzeige & Textgröße > Farbfilter aktivieren
- Android: unter Modi und Routinen auf Hinzufügen von Modi tippen und einen Modus mit Graustufen: Ein definieren.
5. Apps und Benachrichtigungen einschränken
Überprüfen Sie einmal, welche Apps Sie auf Ihrem Smartphone haben und ob Sie diese überhaupt alle verwenden möchten. Bei Apps, die Sie behalten möchten, können Sie entscheiden, ob Sie Benachrichtigungen erlauben oder nicht. Auch WhatsApp-Alerts können für Gruppen und Personen individuell angepasst werden. Definieren Sie einen engen Kreis mit Ihren wichtigsten Kontakten und deaktivieren Sie die anderen Benachrichtigungen.
- iOS: unter Einstellungen > Bildschirmzeit > App-Limits ein Zeitlimit für Apps hinzufügen.
- Android: unter Einstellungen > Apps für jede App individuell Benachrichtigungen (de-)aktivieren
Je nach Smartphone-Modell und Version können die Einstellungen variieren.