Generation Smartphone
Handy für Kinder: 3 Regeln für die richtige Balance
Haben Spielplätze, Babysitter und Teddybären ausgedient? Ist das neueste Handy für Kinder wirklich zum Glücklichsein notwendig? Oder wird ihnen der Digital-Stress eher schon zu viel? Wie wir Kindern helfen können, einen Ausgleich zwischen analog und digital zu finden.
Allzeit bereiter Babysitter, kindgerechtes Kreativ-Tool, mobile Musikanlage – und ein Ort, an dem man jederzeit Freunde treffen kann. Das Smartphone hat sich in den vergangenen Jahren vom feindlichen Eindringling in das Familienleben zum besten Freund des Kindes gemausert.
Laut einer neuen Studie von saferinternet.at nutzen bereits 80 Prozent der 3- bis 6-Jährigen internetfähige Geräte. Das sind doppelt so viele wie noch vor sieben Jahren. Surfen im Internet ist mittlerweile so normal wie analoges Spielen. Durchschnittlich kommen Kinder im Alter von einem Jahr zum ersten Mal mit digitalen Medien in Kontakt.
Handy für Kinder: So finden Sie die richtige Balance
-
Stress reduzieren
Was tun, wenn der Nachwuchs unter Digital-Stress durch Internet & Co leidet? „Dann geht es darum, gemeinsam zu schauen: Was genau stresst und wie lässt sich dieser Stressfaktor reduzieren?“, sagt Medienpädagogin Sonja Messner. Das sei oft gar nicht so einfach. Etwa wenn eine WhatsApp-Gruppe mit 150 Nachrichten über Nacht überfordernd wirkt. Das Kind aber nicht aus der Gruppe aussteigen möchte, weil es sich dadurch einfach selbst ausschließen würde. „Hier gilt es, gemeinsam an Strategien zu arbeiten.“ saferinternet.at rät etwa dazu, soziale Netzwerke vom Startbildschirm zu entfernen oder Benachrichtigungen zu deaktivieren.
-
Die Eltern als Vorbild
Stört das Smartphone das Familienleben? Wie stark sich das Handy auf den Alltag auswirkt, hängt laut der Expertin davon ab, wie die Familie es zulässt. „Eltern haben hier eine große Vorbildfunktion“, sagt Messner. „Wie oft nutzen sie das Smartphone? Liegt es auch beim Essen immer bereit? Werden persönliche Gespräche unterbrochen, sobald es läutet? Das sind Beobachtungen, aus denen Kinder lernen.“
-
Websites, die helfen können
Messner rät Müttern und Vätern, sich gut zu informieren – etwa auf saferinternet.at. „Wenn man einen verantwortungsvollen Medienumgang bei Kindern erreichen möchte, geht das nicht, indem man ,diktiert‘, was richtig und falsch ist. Für eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema und eine reflektierte Mediennutzung braucht es eine gute Wissensgrundlage.“ Für kleinere Kinder empfiehlt sie die Webseite internet-abc.de.
Trotzdem sollten Grenzen festgelegt werden. Hilfreich ist laut Messner der Mediennutzungsvertrag.de. Das ist ein kostenloses Tool, das Kindern ein Mitspracherecht einräumt. „Durch ihre Beteiligung steigt auch das Commitment, sich an die Regeln zu halten. Zudem können im Vertrag auch gleich Konsequenzen bei Nichteinhaltung festgelegt werden, was den Diskussionsspielraum reduziert.“
Statt Handy für Kinder: 3 analoge Alternativen
Kinder wollen spielen. Das war schon immer so. „Die großen Vorteile von digitalen Spielen sind, dass man viele Titel jederzeit alleine spielen kann, und noch mehr mit anderen, die via Internet verbunden sind“, sagt Medienpädagoge Herbert Rosenstingl. Wer seinen Nachwuchs vom Bildschirm weglocken möchte, kann auf die Vorbildfunktion setzen.
-
Analoge Spielwelt
Eltern, die beim Basteln und Mensch-ärgere-dich-nicht Spaß haben, sind oft ein stärkerer Magnet als jedes Smartphone. Aber auch die Möglichkeit, beim Playdate Gleichaltrige zu treffen, eröffnet den Kleinen den Weg in eine analoge Spielewelt. Zusätzlich gibt es digitale Games, mit denen man kleine Nerds in die Natur locken kann. Etwa ,Pokémon Go‘. Oder das neuere ,Harry Potter: Wizards Unite‘ mit ähnlichem Spielprinzip. Bei beiden Spielen geht es darum, mit dem Smartphone die Straßen und Parks zu durchwandern, am besten in kleinen Gruppen. Dabei werden virtuelle Gegenstände gesammelt oder – in unproblematischer Darstellung – Gegner ,bekämpft‘.
-
Kinderbetreuung organisieren
Laut einer deutschen Studie spielen 70 Prozent aller Kindergartenkinder mehr als eine halbe Stunde pro Tag am Handy ihrer Eltern. Der „digitale Babysitter“ verschafft den gestressten Erwachsenen eine kurze Auszeit. Diese moderne Methode der „Kinderbetreuung“ stellt laut Sonja Messner kein Problem dar. Solange sie nicht zur Gewohnheit wird. „Problematisch kann es werden, wenn Eltern ihre Kinder als fixen Bestandteil des Alltags vor Medien ,parken‘.“ Wer trotzdem eine Verschnaufpause braucht, organisiert besser im Freundeskreis einen realen Aufpasser. Dieser beschäftigt sich mit dem Kind – und zeigt ihm vielleicht auch, dass man Luftballons nicht nur via App zum Knallen bringen kann.
-
Wunsch nach Aufmerksamkeit bedienen
Warum lieben Erwachsene wie Kinder die sozialen Medien so sehr? Weil sie Grundbedürfnisse befriedigen. „Nach sozialen Beziehungen, Spaß und Entspannung. Um nach Informationen zu suchen oder um durch Selfies Feedback in Form von ,Likes‘ zu bekommen“, sagt Sonja Messner. Lob und Beachtung kann man aber nicht nur durch Postings erzielen. Sportliche oder kreative Wettbewerbe, aber auch simple Komplimente – kurz: die Aufmerksamkeit anderer Menschen im realen Leben – können so manches digitale Like ersetzen. Schließlich kann man „Gefällt mir“ nicht nur klicken. Man kann es auch sagen.
Sonja Messner, MA. Erziehungswissenschaftlerin, saferinternet.at-Trainerin und Dozentin an der Uni Salzburg. Bei akzente Salzburg leitet sie den Bereich „Medien & Gesellschaft“.
Herbert Rosenstingl, MA. Ausgebildeter Freizeit- und Medienpädagoge sowie Projektleiter bei BuPP, der vom Familienministerium eingerichteten Bundesstelle für Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen.