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Jane Goodall: Ein Leben für die Schimpansen
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Jane Goodall: Ein Leben für die Schimpansen

Eine Frau, die ihr Leben dem Schutz der Menschenaffen und ihren Lebensräumen widmete, bahnbrechende Forschungen über Schimpansen anstellte und eine globale Bewegung für den Naturschutz ins Leben rief. In diesem exklusiven Brief für ACTIVE BEAUTY, erfahren Sie mehr von der beeindruckenden Frau, die Ihr Leben den Schimpansen widmet.

Ein Brief an die Welt

Liebe Leserin, lieber Leser, ich schreibe Ihnen in einer Zeit, in der sich unsere Welt in einem atemberaubenden Tempo verändert. Um uns herum erleben wir Umbrüche und Herausforderungen, die überwältigend wirken können. Und dann soll man sich noch um die Natur kümmern? Um Tiere? Unbedingt, denn darin liegt die Chance einer Heilung. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass jedes Lebewesen auf dieser Erde wertvoll ist und dass wir alle die Fähigkeit haben, einen positiven Unterschied zu machen. Wenn ich an meine Anfänge als Forscherin im Gombe-Nationalpark in Tansania zurückdenke, sehe ich eine junge Frau voller Neugier und Entdeckerdrang, aber auch voller Fragen.

Ich war keine Wissenschaftlerin im klassischen Sinne, ich war einfach eine junge Frau, die sich für das Leben der Tiere interessierte. Und doch haben sich mir die Türen zu einem Leben voller Entdeckungen geöffnet. Ich lernte, dass Wissen nicht nur durch Bücher und Studien erworben wird, sondern auch durch genaue Beobachtung und Geduld. Das sind übrigens Eigenschaften, die uns auch heute Orientierung und Sicherheit bieten können. Es hilft sehr, der Welt mit offenen Augen und offenem
Herzen
zu begegnen.

Was wir von Schimpansen lernen können

Wenn Menschen Bilder von mir mit Schimpansen sehen, geht vermutlich vielen das Herz auf. Das liegt sicher auch an der großen Ähnlichkeit der Tiere mit uns – sie sind im Reich der Primaten unsere nächsten Verwandten und wir haben zahlreiche sehr ähnliche Verhaltensweisen. Dabei vergisst man leicht, dass sie Wildtiere sind, stark und unbändig. Sie führen unbarmherzige Kämpfe, vor allem, wenn es um Ressourcen wie Futter oder Reviere geht. Wenn man das weiß, ist es kaum zu fassen, dass es immer noch so viele Schimpansen in privater Haltung gibt und man Jagd auf sie macht. Es ist illegal und grausam, sie in Käfigen, in Bars und zur Belustigung zu halten, aber traurige Realität. Schimpansen sind geschützte Wildtiere und gehören in die Regenwälder Afrikas!

Andererseits verbinde ich mit so vielen von ihnen persönliche Geschichten, die daher jeden einzelnen Schimpansen für mich einmalig machen. Sei es David Greybeard, Fifi und all die anderen, die ich in Gombe oder unseren Schutzstationen beobachtet habe. Ich denke, man kann sich nie genug bewusst sein, wie sehr uns Familienbande verbinden und wie wichtig es wäre, dass wir diese Beziehungen pflegen. Durch einen respektvollen Umgang könnten wir so manches Problem vermeiden. Wogegen ich mich übrigens vehement wehre: Wenn Menschen meinen, wir seien den Tieren überlegen. Jedes einzelne Individuum auf unsere Planeten hat sein Recht auf Existenz und spielt eine Rolle. Gemeinsam sind wir ein großes Gefüge, das nur funktionieren kann, wenn man achtsam miteinander umgeht.

Wie ich als Forscherin meinen Weg gefunden habe

Tatsächlich haben mich Tiere schon als Kind fasziniert. Wir hatten zuhause immer einen Hund und Hühner. Ich wuchs mit ihnen auf und liebte es, Vögel, Schmetterlinge und anderes Getier in unserem Garten zu beobachten. Und ich las viele Bücher wie die Geschichten von Dr. Dolittle und Tarzan und malte mir in meiner Fantasie dann aus, wie ich eines Tages Tiere erforschen und mit ihnen leben würde.

Wenn ich an meine ersten Schritte als Forscherin zurückdenke, wird mir etwas klar, das manche überraschen wird: Es hat mir manchmal tatsächlich geholfen, eine Frau zu sein. Mein Mentor, der Paläoanthropologe Lewis Leakey, der mir die erste Gelegenheit für meine Arbeit gab, war nämlich der Meinung, dass Frauen besser geeignet wären für diese Beobachtungen in der Natur – weil sie geduldiger und einfühlsamer seien. Natürlich haben viele Männer heute wie damals die gleichen Qualitäten und umgekehrt auch viele Frauen gerade nicht. Aber Leakey glaubte, dass ich es als Frau schaffen könnte und bestärkte mich, an meine Fähigkeiten zu glauben. Später, als ich mein Studium nachholte, wurde ich für meine Arbeitsweise dennoch stark kritisiert. Damals war es nicht üblich, dass Frauen derartig lange Verhaltensstudien ausübten. Ganz unabhängig davon möchte ich allen Mädchen und Frauen etwas ans Herz legen: Glaubt immer an euch und daran, dass ihr eure Träume verwirklichen könnt!

Es ist wichtig, die Hoffnung nicht zu verlieren und alle zu bestärken, die schwächer oder hoffnungslos sind. Das ist unsere Verantwortung als Gesellschaft. Begegne ich jungen Menschen, egal ob Mädchen oder Buben, sage ich ihnen immer das, was meine Mutter zu mir gesagt hat: „Arbeite hart, warte auf die richtige Gelegenheit und wenn du nicht aufgibst, dann wirst du einen Weg finden“. Deshalb ist es mir so wichtig, gerade jenen Menschen, die benachteiligt sind, zu sagen: Gib niemals auf!

Als ich in meinem ersten Camp im Regenwald von Gombe mit der Feldarbeit begonnen habe, gab es natürlich weder Smartphones noch Internet. Um mit der Außenwelt zu kommunizieren, musste ich mit dem Boot nach Kigoma, einer Stadt am Tanganjikasee südlich von Gombe, fahren. Erst da konnte ich Telegramme verschicken – etwa nach Kenia, wo Leakey arbeitete, dem ich über meine Arbeit im Feld berichten musste. All meine Beobachtungen hielt ich mit einer Schreibmaschine fest. Leakey hat gesehen, dass ich meine ersten Arbeiten bei ihm mit viel Ausdauer und Genauigkeit ausführte. Das hat
mir auch später geholfen.

Warum es so wichtig ist, den Planeten zu schätzen

Viele Kinder und Jugendliche heute erzählen mir, dass sie Existenzängste haben und sich um die Zukunft, die Umwelt und das Klima sorgen. Machen wir uns doch endlich bewusst, dass wir den Planeten nicht etwa von unseren Eltern geerbt haben. Sondern ihn vielmehr von unseren Kindern geliehen haben. Doch gerade stehlen wir ihnen ihre Zukunft – und rühmen uns dann noch, die intelligenteste Kreatur zu sein, die je auf diesem Planeten herumgelaufen ist. Wie kommt es nur, dass wir die Zerstörung unseres einzigen Lebensraumes erlauben? Ich habe den Eindruck, dass wir die Weisheit verloren haben, auf die Folgen unseres Handelns zu schauen. Im Rahmen unserer Projekte legen wir immer ein Augenmerk auf Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit. Das heißt ganz konkret: Nur wenn Menschen eine intakte Umwelt und ein funktionierendes Ökosystem haben, um dort zu leben, wo sie zuhause sind und nur, wenn sie auch eine Chance auf Arbeit haben oder die Möglichkeit, sich und ihre Familien zu ernähren, hat dies positive gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen.

Ich möchte Ihnen dringend ans Herz legen, die Natur mit Respekt zu behandeln und mit den Ressourcen achtsam und nachhaltiger umzugehen. Unsere Konsum- und Wegwerf- Gesellschaft muss endlich erkennen, dass nichts grenzenlos ist. Wir haben schließlich nur diesen einen wunderschönen Planeten. Und den müssen wir für uns, unsere Kinder und alle zukünftigen Generationen bewahren. Denn die Vielfalt in der Natur und intakte Ökosysteme sind für alle Lebewesen – dazu zählen auch wir – kein Luxus, sondern überlebenswichtig. Jeder noch so kleine Beitrag hilft – das sollten wir immer vor Augen haben. Ob es unsere Mobilität betrifft, unser Einkaufsverhalten oder unsere Ernährung – jeden Tag treffen wir viele Entscheidungen, die entsprechende Auswirkungen haben. Es hilft enorm, sich immer wieder kurz zu fragen: Was ist wirklich für meinen Alltag notwendig? Es ergibt Sinn, Essen nicht achtlos zu verschwenden, Müll zu trennen und nicht in der Natur wegzuwerfen und vieles mehr, was wir ja schon lange wissen. Ich denke, es ist leichter, sich nicht von globalen Geschehnissen und mächtigen Problemen erschlagen zu lassen, wenn wir im Kleinen mithelfen und die Hoffnung pflegen, dass das einen Effekt auf die größeren Dinge haben wird. Natürlich darf man nicht die Augen vor den weltweiten Entwicklungen verschließen, aber ich sage immer: „Think global, act local!“, also: „Denke global, handle lokal“.

Wie ich es schaffe, positiv zu bleiben

Für mich ist es äußerst tröstlich, dass wir jeden Tag aufs Neue entscheiden können, welchen Einfluss wir auf diese Welt ausüben möchten. Ist das nicht großartig? Tatsächlich werde ich oft gefragt, warum ich nicht böse oder gar aggressiv werde, wenn ich bei meinen Reisen all das Negative auf unserem Planeten sehe. Meine Antwort darauf: Wenn du willst, dass sich die Menschen verändern, darfst du sie nicht anschreien. Du musst dein Herz zeigen, um die Herzen zu erreichen. Du musst mit gutem Beispiel vorangehen. Und vorleben, dass es nicht vergeblich ist, sein Verhalten zu ändern. Ich denke, ich gebe Menschen durch meine Lebensgeschichte und meine Erfahrungen Hoffnung.

Auf meinen Reisen treffe ich immer wieder viele Kinder und Jugendliche, die engagiert und motiviert sind, etwas zu bewegen. Sie setzen sich für die Umwelt und ihre Mitmenschen ein. Je nachdem, welchen Zugang sie zu Bildung haben, wissen sie oft sehr viel, finde ich. Dabei helfen auch die technischen Möglichkeiten und die sozialen Medien. Dennoch beobachte ich auch eine gewisse Apathie und Hoffnungslosigkeit bei jungen Menschen. Deshalb sollten wir ihnen Vorbild sein und sie motivieren, niemals die Hoffnung aufzugeben. Genauso wichtig ist es, ihnen Aufgaben und Verantwortung zu geben. In unserer schnelllebigen Zeit übersehen wir manchmal ihre Anliegen und hören nicht auf ihre Meinungen. Und wie oft sagen wir Älteren, dass früher alles besser war. Doch das stimmt nicht! Es waren andere Probleme und Sorgen. Ich weiß, welch große Kraft entsteht, wenn junge Menschen beschließen, etwas zu verändern. Sie haben Macht und die Zukunft des Planeten in ihrer Hand. Und wir Älteren? Sind es ihnen schuldig, unser Bestes für ihre Zukunft zu geben!

Herzliche Grüße, Ihre

Jane Goodalls einzigartiger Werdegang

  • Nach dem Besuch einer Sekretärinnenschule in England reiste sie nach Kenia, jobbte im National Museum und lernte schließlich den Wissenschaftler Louis Leakey kennen, für den sie Tiere beobachtete. Später promovierte sie ohne Bachelor mit Ausnahmegenehmigung in Ethologie (Verhaltensforschung).
  • Sie war die Erste, die umfangreiche Freilandstudien an Schimpansen durchführte.
  • Goodall entdeckte, dass Schimpansen Werkzeuge herstellen und benutzen – das revolutionierte unser Verständnis von Primaten.
  • Um Schimpansen und viele andere Tier- und Pflanzenarten besser schützen zu können, begann sie 1986 mit den jeweiligen Regierungen, lokalen Verwaltungen und Forschungsinstitutionen zusammenzuarbeiten.
  • Sie hat zahllose Preise und Auszeichnungen erhalten. Als Teil der Inspiring-Women-Serie wurde ihr 2022 eine Barbie – aus recyceltem Plastik – gewidmet.

Mit diesen Projekten verändert Goodall die Welt. PS: Mitstreitende willkommen!

  • „Roots & Shoots“: Dieses Programm motiviert Kinder und Jugendliche weltweit, sich für Menschen, Tiere und die Umwelt zu engagieren. Zwei Menschen genügen für eine eigene Gruppe. Infos: janegoodall.at/kids-teens/
  • Patenschaften für Schimpansen: Für 16 Euro/Monat kann man die Pflege und medizinische Versorgung eines in den Auffangstationen lebenden Tieres sichern. Außerdem werden davon artgerechte Lebensräume ausgebaut und Wilderei und illegaler Tierhandel bekämpft.
  • Aufforsten für den Klimaschutz: Drei Millionen Bäume wurden bereits gepflanzt – um CO₂ zu reduzieren und Lebensräume zu schaffen. Ab 6 Euro sorgt man als Baumpatin oder -pate dafür, dass es mehr werden.
Weitere Projekte auf janegoodall.at



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