Frau Sargnagel, Sie sind 37 Jahre alt. Was mögen Sie an Ihrem Alter?

Es ist eine Zeit, in der man die ersten Alterungserscheinungen bemerkt und realisiert, dass man doch nicht für immer jung bleibt. Mein Verhältnis zu meinem Körper ist entspannter durch das Bewusstsein: Schöner wird man jetzt höchstwahrscheinlich nicht mehr, daher schaut man eher darauf, dass man sich wohlfühlt. Ich habe auch das Gefühl, je älter Frauen werden, desto relaxter sitzen sie im FKK-Bereich. Und ich lass’ mich auf keine Gspusis mehr mit depperten Männern ein.

Gibt es eine Zeit in Ihrem Leben, die Sie noch einmal erleben wollen würden?

Den Aspekt an der Zeit Anfang 20, dass alle viel mehr Zeit für Freundschaften haben und man wahnsinnig einfach neue Leute kennenlernt, vermisse ich manchmal. Aber prinzipiell bin ich sehr in der Gegenwart verhaftet und wünsche mir eher die 30-Stunden-Woche, um Freundinnen öfter zu sehen.

Mit Ihrer kompromisslosen Art ecken Sie an. Wie dick ist Ihr Fell geworden?

Ich lass’ mich von Onlinekommentaren nicht mehr emotionalisieren. Eine gewisse Wurschtigkeit ist Voraussetzung dafür, dass man sich in die Öffentlichkeit stellt. Dass Frauen oder Minderheiten so viel mehr aushalten müssen an Untergriffigkeiten, Hass und Respektlosigkeit als heterosexuelle Männer ohne Migrationshintergrund, wird mich aber immer ärgern. Dass Männer diesen automatischen Vertrauensvorschuss in ihre Fähigkeiten haben, ist ungerecht.

Beim Illustrieren Ihrer Cartoons widmen Sie sich gerne den Allerkleinsten – woher rührt diese Zuneigung?

Ich liebe es, Gesichter zu zeichnen. Ich finde es witzig, wie man durch zwei Punkte und einen Strichmund mit einem Locher oder einer Wurst Mitgefühl empfindet. Und ich bin sehr empfänglich für das Kindchenschema. Das geht so weit, dass ich mich in Zügen extra zu den lauten Kleinkindern setze, weil ich die Gesichter so lustig finde. Diese Unbeholfenheit, das Scheitern an den einfachsten Sachen ist eigentlich eine Slapstick-Show. Hilflosigkeit rührt uns, das ist eine der netteren Eigenschaften des Menschen.

Was bewirkt das Zeichnen von Cartoons in Ihnen?

Ich fange immer an zu kritzeln und schaue, was entsteht. Dann passe ich Sprechblasen an. Im Gegensatz zum Schreiben ist es ein unbewusster Vorgang. Man schaltet den Verstand ab, überrascht sich selbst dabei und kann sich stundenlang vertiefen.

Wie hat sich Ihre Einstellung zum Illustrieren verändert?

Früher waren meine Zeichnungen noch absurder, die Pointen waren nicht klar. Jetzt greife ich manchmal tagespolitische Themen auf und mache deutlichere Witze. Generell habe ich immer lieber gezeichnet als geschrieben, weil es intuitiver und weniger anstrengend ist.

Dennoch kommt im Jänner Ihr neues Buch „Iowa. Ein Ausflug nach Amerika“ auf den Markt. Was hat Sie bei Ihrem USA-Aufenthalt berührt?

Die naive Freundlichkeit gegenüber Fremden. Wenn man in einem Dorf des Mittleren Westens ins örtliche Beisl geht, wird man nicht wie bei uns mit feindseligen Blicken gemustert, die Leute rufen einem zu, dass es ein schöner Tag ist und wollen gleich mit einem reden.

Wie muss ein Mensch sein, um Stefanie Sargnagel in Staunen zu versetzen?

Als jemand, der oft von banalen Alltagsorganisationsaufgaben überfordert ist, staune ich am meisten darüber, wie Alleinerzieherinnen das Leben meistern. Niemand arbeitet so viel und so verantwortungsbewusst wie Alleinerzieherinnen – pausenlos – trotzdem verdienen sie das wenigste Geld.