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Träume: Das wollen sie uns sagen
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Luzides Träumen & Co.

Träume: Das wollen sie uns sagen

Träume sind oft surreal, manchmal schön und meist schwer zu greifen. Das
alles macht sie zu einem besonders spannenden Phänomen – auch für die Forschung. Wir erklären, was uns Träume sagen wollen und wie luzides Träumen funktioniert.

Wovon handeln unsere Träume?

In einem betrieblichen Workshop halte ich ein Referat. Die Kolleginnen und Kollegen haben die Augen auf mich gerichtet und hören mir gespannt zu. Plötzlich merke ich, dass ich nichts anhabe! Irgendwie scheint das die anderen nicht zu stören, mich aber sehr wohl. Ich stottere, entschuldige mich, bin total irritiert ... Mit wild klopfendem Herz schrecke ich aus dem Schlaf auf.“ Im Traum nackt vor Publikum, im Job oder in der Schule: Dieses Szenario durchleben viele. Die ebenso unrealistische wie unangenehme Sequenz, eingangs von einer Teilnehmerin einer Umfrage geschildert, taucht so oder ähnlich immer wieder in Traum-Erzählungen auf. 34 Prozent der bei dieser Erhebung Befragten gaben an, häufig von peinlichen oder konfrontativen Situationen am Arbeitsplatz zu träumen. Bei 27 Prozent ging es ums Reisen und jeweils 22 Prozent wurden im Schlaf mit Verstorbenen konfrontiert – oder der kaum weniger schwierigen Vorstellung, sich plötzlich nicht mehr bewegen zu können. Ebenfalls in den Top Ten des Kopfkinos: Fliegen, der freie Fall und zielloses Umherirren.

Träumen alle ähnliche Szenarien?

Dass Menschen gewisse Traummuster teilen, liegt daran, dass sie die nächtliche Fantasie zwar als etwas sehr Persönliches erleben – in der realen Welt allerdings Dinge mit anderen teilen, zum Beispiel den Arbeits- oder Beziehungsalltag. „Tatsächlich spiegeln typische Träume Grundthemen des Wachlebens, die bei fast allen Menschen in der einen oder anderen Form vorkommen“, sagt Dr. Michael Schredl, Professor an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Mannheim (Deutschland). Der Psychologe beschäftigt sich seit 1990 mit dem Thema Träumen, bietet eine Albtraum-Ambulanz für Erwachsene an und ist Herausgeber der Zeitschrift „International Journal of Dream Research“. In den regelmäßig durchgeführten Interviews zu seinem Forschungsgegenstand hat sich unter anderem herausgestellt, dass bestimmte wiederkehrende Traummuster alle Menschen beschäftigen – unabhängig von Alter,
Herkunft oder Geschlecht. Erst bei der Umsetzung gibt es deutliche Unterschiede, so Professor Schredl: „Welche Bilder damit entstehen, ist dann individuell.“ Ob und wie intensiv sich diese einprägen, ebenfalls: In der eingangs erwähnten Erhebung gaben 20 Prozent der Befragten an, nie zu träumen. Zumindest glauben sie das. Denn in zahlreichen Studien fand man heraus, dass jeder Mensch träumt, sich aber nicht alle daran erinnern können. Die verpennen gewissermaßen eine ganze Menge: Im Schlaf findet etwa alle 90 Minuten eine Traumphase statt. Durchschnittlich sind das vier bis sechs Träume pro Nacht.

Was passiert im Körper während wir träumen?

Ein Traum ist, knapp zusammengefasst, eine psychische Aktivität während des Schlafens. In den 1950er-Jahren fand die Forschung heraus, dass wir im Schlaf ganz unterschiedliche Hirnstrommuster aufweisen. Der Schlaf läuft demnach in vier
Phasen ab, die im Schnitt je eineinhalb Stunden dauern: die Einschlafphase, die Leichtschlafphase, die Tiefschlafphase und die REM-Schlafphase. Die Abkürzung steht
für Rapid Eye Movement, also für schnelle Augenbewegung. Die geschlossenen Augen bewegen sich in dieser Phase sehr schnell, als würde die schlafende Person sehen, was sie träumt. Zugleich steigen Blutdruck und Puls an. Vieles spricht dafür, dass wir während der REM-Phase am meisten träumen. In dieser Phase ist die Muskulatur entspannt, weshalb man zum Beispiel nicht weglaufen oder schreien kann. Die Hirnrinde ist aber genauso aktiv wie im Wachzustand und sogar noch stärker durchblutet. Studien zeigen, dass auch das limbische System, das Emotionen verarbeitet, im Traum aktiver ist als im Wachzustand. Dafür können wir kaum planerisch denken, was wiederum eine mögliche Erklärung für unrealistische Träume sein kann. So wie das Schlafen nicht erlernt werden muss (auch wenn das manche Eltern von Babys anders sehen mögen), verhält es sich auch mit
dem Träumen. Die Wissenschaft ist sich einig, dass bereits Neugeborene in Traumwelten versinken – das bemerkt man zum Beispiel am Zucken
von Händen und Füßen oder an der Bewegung der geschlossenen Lider.
Im Laufe des Lebens verändern sich die Träume entsprechend der Erfahrungen und Herausforderungen, die uns begegnen. Kleinkinder und Kinder bis etwa elf Jahre träumen viel von magischen Erlebnissen wie Fliegen, Zaubern oder von Tieren mit Superkräften. Bei Jugendlichen und Erwachsenen handeln Träume eher von anderen Menschen und Erlebnissen aus Schul- oder Arbeitsalltag.

Hier gibt’s Tipps zum Thema „Träume deuten bei Kindern“.

Warum träumen wir?

Mit dieser Frage beschäftigte man sich bereits um 1300 vor Christus im alten Ägypten. Damals glaubten die Menschen, in den Träumen Botschaften der Götter zu finden. Auch die Bibel weist zahlreiche Traumdeutungen auf, in denen es etwa um Engel geht, die den Menschen als Verbindung zu Gott erscheinen. Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zu Träumen begannen im 19. Jahrhundert, zu einer Zeit, in der man sich von religiösen und metaphysischen Erklärungen lösen wollte. Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse, beschäftigte sich auch mit Traumforschung. 1899 erschien sein Buch „Die Traumdeutung“, in dem er die Ansicht vertrat, dass Träume verborgene Wünsche erfüllen oder widerspiegeln würden, meistens Impulse unterdrückter Sexualität. Diese Theorie gilt heute als überholt, allerdings machte Freud damit den Traum als Thema für die Wissenschaft erst richtig interessant – er war also auch hier Pionier.

Welche Funktion haben Träume für unser Seelenleben?

Auch wenn es immer noch keine eindeutige Erklärung dafür gibt, warum Menschen träumen, und seriöse Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch von einer allgemeingültigen Interpretation bestimmter Traumsymbole Abstand nehmen, sind sie sich in dieser Erkenntnis einig: In unseren Träumen reflektieren und verarbeiten wir Erlebnisse, damit sich unser Geist erholen kann – oder sich sogar besser auf Herausforderungen einstellen kann. So gehen evolutionsbiologische Theorien davon aus, dass Träume als Überlebensstrategie dienen: In der nächtlichen Fiktion – also in relativ sicherer Umgebung – sollen Bedrohungsszenarien durchgespielt werden, um in der Realität besser auf sie reagieren zu können. Isabelle Arnold, Professorin für Neurologie an der Sorbonne in Paris, hat diese „Katastrophenschutz“-These untersucht. Dafür befragten sie und ihr Team Studentinnen und Studenten kurz vor einer Prüfung nach ihren Träumen. Ergebnis: Die meisten imaginierten die Prüfungssituation. Drei Viertel von ihnen übrigens in Form von Albträumen – die Brille zerbrach oder der Zug zur Universität fuhr plötzlich in die entgegengesetzte Richtung... Nach den Tests stellte sich heraus, dass jene Prüflinge, die das Thema auch nachts geplagt hatte, um etwa 20 Prozent besser abschnitten als jene, in deren Träumen die Prüfung nicht aufgetaucht war. Professorin Arnold kam zu dem Schluss, dass negative Träume einen kognitiven Vorteil verschaffen: So lässt sich vorab eine Art Checkliste potenzieller negativer Ereignisse abarbeiten – und in der Realität dann leichter Ruhe bewahren. Auch Albtraum-Experte Professor Michael Schredl sieht Alles-geht-schief-Szenarien nicht als Hinweis, dass im realen Leben der Worst Case eintreten muss. „Fühlt man sich in Traum schlecht oder gar nicht auf eine Situation vorbereitet, heißt das nicht, dass man es tatsächlich auch ist. Die nächtlichen Aktivitäten des Gehirns spiegeln eher Emotionen als Fakten wider – in diesem Fall die Angst, eine Leistung oder Anforderung nicht erbringen zu können.“

Was passiert hinter dem Phänomen Klarträumen oder luzides Träumen?

In Zeiten, in denen die Sehnsucht nach einer intensiveren Verbindung zwischen Körper, Seele und Geist wächst, faszinieren Modelle wie der luzide Traum, auch Klartraum oder bewusster Traum genannt, besonders. Während der Körper sich hier eher im Schlafmodus befindet, erreicht der Verstand eine Art Wachzustand, sodass man zwischen realistischen und unrealistischen Szenen unterscheiden kann. Man weiß also genau, dass man gerade träumt, und kann mit bestimmten Methoden sogar den Ablauf des Traumes beeinflussen oder bestimmen, zu welchem Zeitpunkt man aufwacht. In der Psychotherapie setzt man Klarträume oder luzides Träumen ein, um wiederkehrende Albträume zu minimieren oder sie so zu verändern, dass sie ein positives Ende nehmen. Doch auch im Alltag und ohne professionelle psychologische Begleitung können wir mit und an unseren Träumen arbeiten. Brigitte Holzinger, Leiterin des Wiener Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung (traum.ac.at), empfiehlt, die Grauzonen zwischen Schlaf und Wachzustand bewusster wahrzunehmen – und zu gestalten. „Träumen findet nicht auf der kognitiven Ebene statt und ist deshalb rein durch das Nachdenken im Wachzustand nicht zu erschließen.“ Eher seien es die Gefühle und Empfindungen, denen man nachgehen sollte. Sie rät dazu, sich zu fragen, wie sich der Boden im Traumwald angefühlt hat, wie laut ein Geräusch war oder was man gerochen und gesehen hat. Durch diese Erinnerungen entwickle sich meist intuitiv ein Verstehen, was der Traum einem sagen möchte und in welchem Zusammenhang er steht. Um daraus nachhaltige Erkenntnisse über die eigenen Ressourcen, Wünsche und vielleicht auch Fragezeichen zu ziehen, empfiehlt Holzinger ein Traumtagebuch neben dem Bett. Nach dem Aufwachen soll man darin jede noch so kleine Erinnerung an den Traum festhalten, sei es eine Farbe, eine Pflanze, ein Geruch oder eine bestimmte Person. „Je öfter man sich auf diese Art mit Träumen beschäftigt, desto bewusster träumt man und erinnert sich daran“, sagt sie. Idealerweise sollte man dafür ausschlafen, selbst aufwachen (also ohne Wecker) und dann den Traum bewusst visualisieren – und zwar vor dem Blick aufs Smartphone. Denn digitale Traumwelten können unsere eigenen höchstens stören, aber nie bereichern.

Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie Sie Ihre Bildschirmzeit einschränken können.

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