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Ein Neurologe erklärt: So erkennt man Migräne und kann sie behandeln
Text: Paula Rausch, Dr. Christian Wöber

Schmerzbefreit

Ein Neurologe erklärt: So erkennt man Migräne und kann sie behandeln

Betroffene kennen es: Man hat viel zu tun, aber plötzlich machen sich Migräne-Symptome bemerkbar. Vielleicht ignoriert man sie anfangs noch, aber das klappt meist nicht lang – die Folge: verschobene Termine, abgesagte Treffen und stattdessen das Liegen in einem abgedunkelten Zimmer. Das kann auf Dauer sehr frustrierend sein. Unser Migräne-Experte klärt über die mysteriösen Kopfschmerzen auf.

Wissenswertes zum Thema Migräne

Univ.-Prof. Dr. Christian Wöber ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Er hat seine Praxis in Wien und betreut dort unter anderem Migränepatientinnen und -patienten. In diesem Interview teilt er sein fundiertes Wissen und klärt über Migräne auf.

1. Welche Symptome sind für Migräne typisch?

Migräne ist stets mehr als „nur“ Kopfschmerz und macht sich oft schon vor Einsetzen von Kopfschmerzen durch Vorboten wie Gähnen, Müdigkeit, Nackenschmerzen, Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Geräuschen oder Gerüchen, Heißhunger oder Stimmungsänderungen bemerkbar. Bei 15 Prozent der Betroffenen tritt sogenannte Migräne mit Aura auf. Die häufigsten Symptome dieser Migräneform sind Sehstörungen, seltener Gefühlsempfindungsstörungen und Sprachstörungen, die bis zu einer Stunde anhalten können. Die dann einsetzenden Kopfschmerzen sind meist (aber nicht immer) einseitig, pochend, mittelstark oder stark und nehmen bei Bewegung zu. Manchmal besteht auch ein Ruhebedürfnis. Stets sind Begleiterscheinungen vorhanden wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- oder Lärmempfindlichkeit. Nach Abklingen der Kopfschmerzen fühlen sich viele abgeschlagen und müde. Migräneattacken können Alltagsaktivitäten erheblich beeinträchtigen oder gänzlich unmöglich machen.

2. Wie unterscheidet sich Migräne von normalen Kopfschmerzen?

„Normale“ Kopfschmerzen, der medizinische Begriff dafür ist Spannungskopfschmerzen, sind nicht so stark, gehen kaum mit Begleiterscheinungen einher und sind viel weniger einschränkend als Migräne.

3. Wie gelangt man zur Diagnose Migräne? An welche Fachärztin oder welchen Facharzt wendet man sich am besten mit Verdacht auf Migräne?

Die Diagnose erfolgt im Gespräch mit den Betroffenen anhand der geschilderten Beschwerden. Es gibt keinen Labortest, keinen CT- oder MR-Befund, der die Diagnose „beweisen“ kann. Soll eine andere Errkankung als Ursache der Kopfschmerzen ausgeschlossen werden, können manchmal weiterführende Untersuchungen wie eine Magnetresonanztomographie erforderlich sein. Erste Anlaufstelle bei Kopfschmerzen sollte die Hausärztin oder der Hausarzt sein. Die Neurologie ist das Fachgebiet, das auf Kopfschmerzen spezialisiert ist. In sehr seltenen Fällen, zum Beispiel wenn ein Kopfschmerz wie noch nie aufgetreten ist, kann eine umgehende Abklärung in einer Notfallambulanz erforderlich sein.

4. Wodurch kann Migräne ausgelöst werden?

Die Auslöser der Migräne sind individuell sehr unterschiedlich. Beobachtung im Alltag kann helfen, Auslöser wie die Monatsblutung, schlechter Schlaf, Stress, Außenreize, unregelmäßige Mahlzeiten oder zu wenig Flüssigkeitszufuhr zu erkennen. Bei vielen Attacken bleibt der Auslöser aber unbekannt. Auch das Wetter kann manchmal Einfluss haben, allerdings gibt es auch hier große individuelle Unterschiede. Zudem lassen sich Witterungseinflüsse, im Gegensatz zu anderen Auslösern, nicht beeinflussen. Auch eine zu straff gebundene Frisur kann Kopfschmerzen verursachen, ist aber einfach zu korrigieren.

5. Migräne: Was hilft wirklich? Welche Hausmittel gibt es und kann Migräne auch gänzlich geheilt werden?

Die Behandlung der Migräne richtet sich einerseits gegen die akute Attacke und hat andererseits – bei häufigem Auftreten – zum Ziel, den Attacken vorzubeugen. Eine akute Attacke erfordert in den allermeisten Fällen die Einnahme eines Medikaments, dafür stehen schmerzstillende Mittel und spezielle Migräne-Medikamente zur Verfügung. Zu Letzteren zählen Triptane und seit kurzem auch Gepante und Ditane. Wichtig ist es, das Medikament ausreichend hoch dosiert und früh in der Attacke einzusetzen. Ziel ist es, dass die Attacke innerhalb von zwei Stunden abklingt, das Mittel verlässlich wirkt und gut vertragen wird. Der Rückzug in einen ruhigen, dunklen Raum kann helfen oder ist manchmal auch unausweichlich. Hausmittel wie kalte Umschläge oder Kaffee können manchmal lindern, eine verlässliche Wirkung ist aber nicht zu erwarten.
Gibt es vier oder mehr Migränetage im Monat, ist eine vorbeugende Behandlung angebracht. Dabei spannt sich der Bogen von Ausdauersport, Entspannungsübungen und Akupunktur über Nahrungsergänzungsmittel (wie Magnesium, Vitamin B2 und Co-Enzym Q10) oder Mutterkraut hin zu bestimmten Medikamenten, die täglich eingenommen werden. Für Patientinnen und Patienten, denen diese Behandlungen nicht helfen, gibt es seit einigen Jahren eine Spritze (bzw. seit kurzem auch eine Infusion), die einmal im Monat oder alle drei Monate verabreicht wird. Bei besonders schwer Betroffenen wird auch Botulinumtoxin eingesetzt. Es gibt also vielfältige und wirksame Behandlungsmöglichkeiten, aber keine Therapie, die Migräneverlässlich ein für alle Mal beseitigt.

6. Kann sich die richtige Ernährung positiv auf das Wohlbefinden von Migränepatientinnen und -patienten auswirken und können Migräneanfälle dadurch verringert werden?

Empfehlenswert ist es, auf regelmäßige Mahlzeiten und ausreichend Flüssigkeitszufuhr zu achten. Nahrungsmittelunverträglichkeiten (die sich üblicherweise nicht allein durch Migräne bemerkbar machen) sollten beachtet werden. Eine spezielle Migränediät gibt es nicht. Diäten können die Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigen und werden meist auch nicht über längere Zeit durchgehalten.

7. Was wollen Sie Migränebetroffenen noch mitgeben? Haben Sie spezielle Tipps oder Tricks?

Wenn Ihre Kopfschmerzen den Alltag beeinträchtigen, trotz Medikamenteneinnahme nicht innerhalb von zwei Stunden weitgehend abklingen oder immer wieder auftreten, suchen Sie auf jeden Fall ärztlichen Rat. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig. Bei den allermeisten Migränebetroffenen kann die Lebensqualität durch eine wirksame Therapie erheblich verbessert werden.