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Old White Man braucht niemand, neue Männer schon
Text: Elisabeth Schmiedjell

Mann sein in Zeiten von #metoo

Old White Man braucht niemand, neue Männer schon

Männertypen: Zwischen Gentleman alter Schule, Feindbild „Old White Man“ und männlichen Feministen – neue Männer fühlen sich heute wie zwischen allen Stühlen. Doch genau darin liegt die Chance für eine neue männliche Identität.

#metoo, „toxische Männlichkeit“, „Mansplaining“, „Old White Man“. Unter Schlagworten wie diesen gerät die männliche Identität in den letzten Jahren immer stärker ins Kreuzfeuer. Viele Männer fühlen sich dadurch verunsichert:

Was wollen Männer, wann ist ein Mann ein Mann – und wann ein Sexist? Wie definiert sich heute Männlichkeit? Und: Was erwarten die Gesellschaft, die Arbeitswelt, die Frauen von modernen Männertypen?

Männertypen: Rückenwind für Old White Man?

Leicht hat Mann es heute nicht, und gerade besagter Old White Man scheint immer mehr in Bedrängnis zu kommen. Einige fühlen sich durch den öffentlichen Diskurs regelrecht unter Generalverdacht gestellt. Und weil Angriff bekanntlich die beste Verteidigung ist, wird dem Feminismus der Kampf angesagt und werden Opfer-Täter-Rollen umgekehrt.

So gaben rund 33 Prozent der befragten Millennial-Männer einer amerikanischen Qualtrics-Studie aus 2017 an, sich bereits einmal im Beruf wegen ihres Geschlechts diskriminiert gefühlt zu haben, während nur 21 Prozent der Frauen dieser Aussage zustimmten.

Der Gender Pay Gap spricht freilich eine andere Sprache – in Österreich müssen Frauen noch rund 60 Tage länger arbeiten, um auf das gleiche Jahreseinkommen wie Männer zu kommen. Oder anders gesagt: Ab Herbst arbeiten sie gratis – wann genau Equal Pay Day ist, lesen Sie aktuell hier. Und noch immer ist der sogenannte Mental Load: Frauensache.

Auch politisch gibt es derzeit eher Rückenwind für die Interessen des Old White Man, denn konservative Parteien (die traditionell stärker auf männliche Wählerstimmen zählen können) erleben weltweit einen Aufschwung. Dennoch fühlen sich offenbar auch viele junge Männer in ihrer männlichen Identität bedroht – und legen sich zur Selbstbestätigung einen Bart zu. Kommt denn nun überhaupt eine neue Männlichkeit oder handelt es sich nur um eine neue alte Männlichkeit?

Neue Rollen für neue Männer

So beunruhigend diese Tendenzen zur Re-Maskulinisierung sind: Sie sind auch ein Indiz dafür, dass sich die Geschlechterrollen im Umbruch befinden, wie Genderwissenschafter Matthias Luterbach im Interview mit dem deutschen Nachrichtenportal Watson erläutert. Denn: Nicht Männlichkeit an sich ist in der Krise, sondern die bisherige Definition davon.

Der Ernährer, der seine Familie versorgt: Dieses Männlichkeitsbild geriet durch die steigende Frauenerwerbstätigkeit und die Wirtschaftskrise, die hauptsächlich Männer arbeitslos machte, ordentlich ins Wanken. Das Problem dabei: Männliche Identität wurde bislang fast ausschließlich an der Position im Berufsleben festgemacht, so das deutsche Zukunftsinstitut in seinen Studien zum „Mann der Zukunft“.

Diese Rechnung geht aber immer weniger auf und Männer sind gefordert, neue Rollen für sich zu entdecken und diese mit ihrer männlichen Identität zu vereinbaren. Statt dem revanchistischen Old White Man hinterherzutrauern, sind neue Männer gefragt, die sich nicht nur einem, sonderen an unterschiedlichen Männertypen orientieren.

Neue Männer: Was macht sie aus?

Wie diese neue Männlichkeit aussieht? Die Generation Y ist dabei, es vorzuleben: Zwar möchten sie Selbstverwirklichung und Sinn in ihrem Beruf finden, doch weigern sie sich immer mehr, Beziehungen, Work-Life-Balance und individuelle Freiheit einer Karriere unterzuordnen. Und das gilt auch für männliche Millennials, die sich mitunter sogar in Männer-Workshops, -Trainings und -Konferenzen mit ihrer männlichen Identität auseinandersetzen.

Sie wollen es anders machen als die Generation ihrer zu oft (emotional) abwesenden Väter. Und fühlen sich zwischen teils widersprüchlichen Anforderungen gefangen: Während im Job der durchsetzungsfähige Macher gefragt ist, soll der Familienvater ein liebevoller Fürsorger und gleichberechtigter Partner sein, ein Romantiker, aber kein Softie. Einer, der sich mit Babybrei genauso auskennt wie mit PowerPoint und den Kinderwagen genauso selbstbewusst und selbstverständlich „fährt“ wie den Firmenwagen.

Männertypen: Flexibel sein ist angesagt

Frauen kennen diese Mehrfachbelastung unterschiedlicher Rollen, die sie im Alltag erfüllen, natürlich nur zu gut. Anders als Männer sind sie seit Jahrzehnten geübt darin, sie als Facetten ihrer Weiblichkeit zu sehen. Und anders als Männer profitieren sie von der mittlerweile dritten großen Frauenbewegung, während eine vergleichbare männliche Revolution bisher ausblieb. Daher, so Matthias Luterbach, existierten derzeit auch viele verschiedene Männer-Rollen und -Vorbilder nebeneinander – der Gentleman alter Schule ebenso wie der selbstbekennende männliche Feminist.

Und vielleicht liegt darin auch die Lösung für eine neue Männlichkeit: Es kann und wird eben nicht mehr eine Definition männlicher Identität geben, sondern viele, die sich dynamisch an Situationen anpassen, prognostiziert das deutsche Zukunftsinstitut. Flexibilität lautet doch ohnehin das Motto der Zukunft – warum also nicht auch im Männlichkeitsbild?

Die große Herausforderung wird sein, mehr Rollen für Männer nicht als Mehrfachbelastung, sondern als Chance zu sehen. Und als Befreiung von einem starren alten Männlichkeitsmuster, das eben auch für Männer „toxisch“ ist.