Männlichkeit. Mann sein. Typische männliche Eigenschaften. Maskulinität. All das wird dem Mann quasi in die Wiege gelegt. Bub oder Mädchen. Blau oder rosa. Geschlechterstereotype werden herangezüchtet, Rollenbilder entworfen.

Aus biologischer Sicht ist das natürlich sinnvoll; aus psychologischer weniger. Denn die Einteilung hat Auswirkungen. Und zwar weitreichende. Die meisten Eltern erziehen einen Sohn, ob bewusst oder nicht, anders als eine Tochter. Schließlich ist ein Bub auch anders als ein Mädchen, denkt man. Schon früh wird ein Bild von Männlichkeit gepflegt und vorgelebt.

Männlichkeit: Das Bild vom Mann verändert sich

Aber dieses Bild vom Mann verändert sich fortlaufend. Neue Eindrücke, neue Aussagen und Erfahrungen kommen hinzu. Früher war der Mann der Jäger, der für die Verpflegung sorgte. Und der Ernährer ist er sehr lange Zeit geblieben. Der, der sagte, wann was wie zu tun war. Der starke Mann, der sich um die schwache Frau kümmerte. Der über ihr stand. Maskulinität pur.

Rollenbilder von Frauen und Männern verschmelzen

Bis sich die Frau emanzipierte und ihre Rolle aufwertete. Gleichberechtigt ist sie noch immer nicht. Trotzdem: Die traditionellen Geschlechterrollen gibt es nicht mehr. Sie haben sich vermischt. Geschlechterstereotype sind aufgeweicht, Rollenbilder haben sich geändert. Nichts ist mehr typisch männlich oder typisch weiblich. Die Frau kümmert sich jetzt nicht mehr nur um den Haushalt und die Kinder, sondern vor allem um sich selbst. Sie macht Karriere. Und überhaupt was sie will. Sie hat sich gesucht, gefunden und neu definiert. „Durch die Emanzipation hat sie sich mit sich selbst beschäftigt. Damit hat sie eine Richtung eingeschlagen, die auch für den Mann wünschenswert wäre“, sagt Robert Pap, der mit „Wake Up Man“ anderen Männern dabei hilft, wieder in Kontakt mit ihren männlichen Qualitäten zu kommen.

Das Männerbild kommt zu kurz

„In der gesellschaftlichen Diskussion geht es viel um die Rolle und das Bild der Frau. Aber es geht nicht um die Männer“, sagt Jens Lönneker, Psychologe und Geschäftsführer des Marktforschungs- und Beratungsinstituts Rheingold Salon. Dabei muss auch der moderne Mann vielen, teilweise gegensätzlichen Ansprüchen genügen, um als „männlich“ zu gelten. Aber statt sich zu fragen, was er eigentlich will, fragt er sich – schließlich will er begehrt sein –, was die Frau möchte. Anstatt sich selbst zu finden, jagt er einem sich ständig verändernden Bild des idealen Mannes nach. Versucht, Männlichkeit und Maskulinität vorbildhaft zu leben.

Männer sind in der Identitätskrise

Die unterschiedlichen Ansprüche verunsichern den Mann aber. Er weiß nicht, ob er der Dame die Tür aufhalten soll oder ob er dann als rückständiger Macho gilt. Ob er über seine Gefühle reden soll oder ob er damit schon ein Weichei ist. Ob er Karriere machen und Geld verdienen oder sich um Haushalt und Nachwuchs kümmern soll. Ob er sich im Gesicht und nicht auf der Brust rasieren soll oder umgekehrt.
Eins steht jedenfalls fest: Auch der Mann kann nicht alles sein, nicht alles haben, nicht alles können. Die unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüche und die vielen klischeebehafteten Erfahrungen und Eindrücke haben den Mann in eine Identitätskrise geführt.

Männlichkeit: Der Mann muss sich selbst finden

Aber jede Krise birgt auch Chancen. Die Frau hat es mit der Emanzipation vorgemacht. Es gibt keine Vorgaben, keine Einschränkungen, keine Grenzen. Er muss nur alles ausblenden. Alle Stimmen, alle Eindrücke, alle Klischees. Er muss sich zurückziehen. Sich auf die Suche nach der eigenen Identität machen. Ehrlich zu sich selbst sein. Der Mann muss sich emanzipieren. Um männlich zu sein, muss nicht irgendwelchen Klischees oder Idealbildern entsprechen. Er muss sich nicht für andere verbiegen. Er muss nicht sein, wie er nicht sein will. Letztlich geht es nur um eins: Authentizität. Darum, in sich hineinzuhören. Sich zu suchen. Sich zu finden. Und auf die Art und Weise männlich zu sein, wie man eben ist.