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Partnersuche: Worauf es bei der Partnerwahl wirklich ankommt
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Noch immer Single?

Partnersuche: Worauf es bei der Partnerwahl wirklich ankommt

Warum uns Bindungsmuster aus der Kindheit bei der Partnersuche beeinflussen? Auf welche Kriterien es bei der Partnerwahl tatsächlich ankommt und wie wir – egal in welchem Alter – unsere Bindungsfähigkeit verbessern können, erklärt die Beziehungscoachin Mag.a Anna Thaler im Interview.


Mag.a Anna Thaler ist Paarberaterin und Beziehungscoachin mit Praxis in Gmunden am Traunsee. Sie bietet Unterstützung bei allen Themen rund um Paarbeziehung und Liebe. Die Beziehungscoachin erklärt für ACTIVE BEAUTY, worauf es bei der Partnersuche wirklich ankommt.

1. Frau Mag.a Anna Thaler, worauf sollte man bei der Partnersuche bewusst achten?

Kaum eine Entscheidung im Leben ist so wichtig wie die Partnerwahl. Sie beeinflusst nicht nur unsere allgemeine Zufriedenheit, sondern was viele Menschen nicht bedenken – unsere emotionale und körperliche(!) Gesundheit. Auch auf gemeinsame Kinder, sofern man welche hat, wirkt sie sich aus. In einer unglücklichen Beziehung steht man unter Dauerstress, und Stress ist der größte Verursacher von Krankheiten.
Aus bindungstheoretischer Sicht sind die wichtigsten Kriterien bei der Partnerwahl nicht Attraktivität und Charme, sondern emotionale Verfügbarkeit und Bindungsfähigkeit. Menschen mit einem sicheren Bindungsstil haben die Fähigkeit, Nähe zuzulassen, ohne sich überfordert zu fühlen. Sie kommunizieren offen, verhalten sich verlässlich und können sich emotional auf ihren Partner einlassen. Bei einem sicher gebundenen Menschen merkt man schon in der Kennenlernphase, dass er an einer Beziehung interessiert ist: er meldet sich regelmäßig, verhält sich verbindlich und reagiert empathisch. Ein sicher gebundener Partner verhilft nicht nur zu einer emotional stabilen Beziehung, sie oder er kann auch aktiv zur Regulation des eigenen Bindungssystems beitragen – und das ist wechselseitig enorm hilfreich, denn es kommen mit Sicherheit auch holprige Lebensphasen auf uns zu.

2. Worauf kommt es neben emotionaler Verfügbarkeit noch an?

Maßgeblich ist auch die Stimmigkeit der emotionalen Bedürfnisse beider Partner. Also die Frage: Passt das Nähe- und Distanz-Verhalten meines Gegenübers zu meinem eigenen? Ist der andere grundsätzlich bereit, sich auf eine Beziehung einzulassen, oder ist sie oder er emotional unsicher oder vermeidend? Das Problem dabei ist hier oft: Gerade, wenn das Gegenüber vermeidend gebunden ist, kann eine besonders starke Anziehung entstehen, weil das eigene Bindungssystem aktiviert wird und „mehr“ will. Man erlebt das Kennenlernen dann besonders intensiv. Klientinnen und Klienten sprechen hier oft von „das war wie auf Wolke sieben“, „wie im Film“, „der absolute Wahnsinn“, „so verliebt war ich noch nie“. Aber nicht nur die emotionalen Bedürfnisse sollten kompatibel sein, sondern auch Kommunikation und Zukunftsvisionen.

3. Was hat es mit den Schmetterlingen im Bauch auf sich?

Viele missinterpretieren die berühmten Schmetterlinge als „positives Zeichen“. Bei der Partnersuche geht es aber um Verlässlichkeit und nicht um den Nervenkitzel. Bitte nicht nur auf eine starke Chemie oder auf romantische Gesten bei den ersten Dates achten, denn daran zeigt sich leider nicht, ob jemand beziehungsfähig ist! Letzteres lässt sich erst über die folgenden Wochen feststellen, wenn…

  • sie sie oder er die Verbindung konsequent hält
  • Worte und Taten übereinstimmen
  • sie oder er emotional verlässlich und ansprechbar bleibt

Meist ist es nämlich nicht das Verhalten selbst, das Stress erzeugt, sondern dessen Unvorhersehbarkeit.

4. Welche Kriterien sind bei der Partnerwahl also weniger relevant?

Meistens geht es bei den Kriterien der Partnerwahl um Attraktivität, Charme, beruflichen Status und gemeinsame Hobbys. Selbstverständlich sind diese Faktoren wichtig, sie sagen allerdings nichts über die emotionale Reife und die Bindungsfähigkeit eines Menschen aus. Auch eine starke körperliche Anziehung oder das Gefühl von „sofortiger Verbindung“ sind keinerlei Garantie für eine gute Beziehung. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall: Menschen mit unsicherem Bindungsstil verwechseln häufig intensive Aufregung mit echter Nähe. Vor allem, wenn man in der Kindheit gelernt hat, sich Liebe erarbeiten zu müssen, fühlt es sich sehr vertraut an, wenn das Gegenüber emotional nicht erreichbar ist. Dieser „Falle“ muss man sich aber erst einmal bewusst sein, um sie umgehen zu können.
Viele Menschen haben außerdem ein Idealbild eines potenziellen Partners im Sinne von „das ist genau mein Typ“. Hat man diesen erst einmal vor sich, ist es oft nicht leicht, zwischen Wunsch bzw. Illusion und Realität zu unterscheiden – nämlich dann, wenn der „Traumtyp“ sich gar nicht nett und verbindlich verhält. „Wir haben so viele Gemeinsamkeiten“ kann einen als Kriterium ebenfalls sehr leicht in die Irre führen. Diese schaffen zwar Nähe, geben aber keinerlei Auskunft über ein tragfähiges Bindungsmuster. Entscheidender ist: Wie geht man miteinander um, wenn es schwierig wird?

5. Was sind die Treiber, nach denen wir uns unbewusst für unsere Partner entscheiden?

Bindungserfahrungen aus der Kindheit

Die Partnerwahl wird stark durch unsere frühkindlichen Bindungserfahrungen geprägt. So wie uns unsere primären Bezugspersonen behandelt haben (ob sie zuverlässig da waren, unsere Gefühle gespiegelt haben oder uns abgewertet haben), sieht unsere „Programmierung“ in Sachen Nähe, Sicherheit und Verbindung aus. In der Bindungstheorie spricht man hier von inneren Arbeitsmodellen. Diese Modelle wirken später in unseren Liebesbeziehungen weiter: Wir fühlen uns grundlegend immer zu dem hingezogen, was uns vertraut erscheint, da wir das als „normal“ empfinden – selbst, wenn das nicht gesund für uns ist. Es geht also um Vertrautheit statt um Qualität: Hatten wir als Kind emotional distanzierte Eltern, neigen wir im Erwachsenenleben zu vermeidenden Partnern.

Wiederholung von alten Mustern

Zusätzlich zu den Bindungserfahrungen werden wir bei der Partnerwahl aber auch stark durch Übertragung und Reinszenierung angetrieben. Das heißt, wir projizieren Beziehungsmuster aus unserer Kindheit auf unsere Partner und wiederholen unbewusst alte Muster, in der Hoffnung, diesmal endlich das zu bekommen, was damals gefehlt hat. Das führt dazu, dass wir uns in Menschen verlieben, die dieselbe emotionale Distanz zeigen wie zum Beispiel ein abwesender Vater, oder denselben emotionalen Overload wie zum Beispiel eine überforderte Mutter. Unser Gehirn und unser Nervensystem sagen dazu: „Das kenne ich, das fühlt sich wie Liebe an. Aber dieses Mal werde ich endlich gesehen und nicht verlassen.“ Wir wiederholen die alten Dramen meist so lange, bis wir sie erkannt und bearbeitet haben. Was uns hier eigentlich antreibt, ist der Wunsch nach Heilung und Bedürfnisbefriedigung.
Wer als Kind positive Bindungserfahrungen gemacht hat, fühlt sich wiederum von anderen Singles mit einem gesunden Bindungsstil angezogen.

Frühe emotionale Programmierung von Nervensystem und Gehirn

Unsere körperlichen Stress- und Bindungssysteme werden sehr früh auf eine Art geprägt, die sich den Rest des Lebens „wie Liebe“ anfühlt. Wer in emotionalem Dauerstress aufgewachsen ist, fühlt sich besonders zu instabilen oder „intensiven“ Beziehungen hingezogen, weil das Nervensystem das kennt. Aber auch viel Aufregung, Ungewissheit und Nähewechsel können durch die dabei entstehenden „Kicks“ süchtig machen. Verantwortlich dafür sind die Hormone Dopamin und Oxytocin – in solchen Fällen spricht man von Traumabindung.

6. Wie sieht so eine Wiederholung von alten Mustern aus?

Klientinnen und Klienten erzählen dann zum Beispiel, dass sie immer bei Menschen landen, die sie nicht wollen. Das deutet meistens darauf hin, dass die Eltern emotional nicht erreichbar waren. Wenn sich jemand, den sie gut finden, dann nicht meldet, entsteht Unsicherheit und das Belohnungssystem wird stark aktiviert. Sie empfinden Spannung und Sehnsucht, Dopamin wird ausgeschüttet und viele interpretieren das dann als Liebe. Tatsächlich ist es aber nur das Nervensystem, das Vertrautes erlebt. Umgekehrt kann es passieren, dass man jemanden kennenlernt, der kompatibel ist, aber der Funke springt nicht über. Das sichere Verhalten der kompatiblen Person aktiviert das Bindungssystem der anderen Person nicht. Diese zwei Beispiele veranschaulichen, wieso man die Partnerwahl mehr mit dem „Kopf“ als mit dem „Herzen“ treffen sollte.

7. Wie kann man sich mögliche ungesunde Muster bewusst machen?

Es ist fast unerlässlich, hier in die eigene Kindheit einzutauchen und Prägungen, Muster sowie die Bindungstendenz (sicher, ängstlich oder vermeidend) festzustellen. Zu den Bindungsstilen gibt es online bereits viele Tests. Ein sehr hilfreiches Buch dazu, das ebenfalls einen Test enthält, ist „Attached – Warum wir uns immer in den falschen verlieben“ von Amir Levine und Rachel Heller. Darüber hinaus ist es hilfreich, eigene Muster in vergangenen Beziehungen zu untersuchen: Welche Art Partner hat mich immer wieder angezogen? Wie sind diese Beziehungen verlaufen? Welche Ängste oder Schutzmechanismen tauchen bei mir auf, wenn es um Nähe geht? Dabei sind manchmal auch körperliche Reaktionen feststellbar, die gute Indikatoren sein können.
Eine andere Möglichkeit wäre, nahestehende Menschen um ein offenes Feedback zu bitten. Die „sicherste“ Methode ist es aber, ein diesbezügliches Coaching oder eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Dies hilft, tieferliegende Muster und Prägungen aus der Kindheit zu erkennen, zu verstehen und diese gut zu integrieren, und ist vor allem bei Bindungsangst der richtige Weg.
Das Ziel ist es nicht, „perfekt geheilt“ zu werden, sondern sich seiner Muster bewusst zu werden, um eine aktive und bewusste Partnerwahl treffen zu können. Wenn wir mehr mit dem Kopf als mit dem „Herzen“ entscheiden (= alte Prägungen, die uns sehr oft in die Irre leiten), gehen wir auf Nummer sicher.


8. Wie viel Sinn macht dann eigentlich die Partnersuche über Apps?

Der große Markt an Dating-Apps bietet eine enorme Auswahl an potenziellen Partnern – in einem Ausmaß, wie dies noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte möglich war. Das ist ein klarer Vorteil. Gleichzeitig fördert die Art und Weise, wie man sich in den Apps bewegt, eher bindungsunsichere Dynamiken: aufgrund der Anonymität sind wir auf Apps weniger verbindlich; schnelles Swipen, der Fokus auf Äußerlichkeiten und die endlose Auswahl führen dazu, dass wir uns emotional nicht richtig einlassen. Und das genau ist das Gegenteil von sicherem Bindungsverhalten, wie Verlässlichkeit, konsequentes Halten der Verbindung, Übereinstimmung von Worten und Taten, emotional ansprechbar und verlässlich bleiben. Gerade für Menschen mit ängstlichem Bindungsstil ist Online-Dating daher oft belastend, weil eben die sicheren Signale fehlen: Nachrichten kommen unregelmäßig, Dates verlaufen unklar, Ghosting ist schon fast an der Tagesordnung. Dadurch wird die Unsicherheit und oft leider auch eine emotionale Abhängigkeit verstärkt. Wenn Online-Dating aber bewusst genutzt wird – was ich sehr empfehle! –, und wenn man weiß, worauf man von Beginn an bis zu den Dates genau achten sollte, sehe ich es als eine sehr gute Möglichkeit, potenzielle Partner kennen zu lernen.

Erfahren Sie hier, wie uns Red Flags & Co. laut Beziehungsexperin beim Dating weiterhelfen können.

9. Wenn soll man tun, wenn man bei der Partnersuche immer an den „falschen“ Partner gerät?

Wenn man an den „falschen“ Partner gerät, und man merkt dies relativ früh in der Dating-Phase, empfehle ich ganz klar den Ausstieg.
Um beziehungsfähigere Partner anzuziehen und sich in diese Richtung weiterzuentwickeln, ist es unerlässlich, sich selbst – und damit die eigenen Bindungsbedürfnisse – besser kennen zu lernen. Das läuft am Ende immer auf die eine Frage hinaus: „Fühle ich mich gerade emotional sicher, und was brauche ich dazu?“ Ausgehend von dieser Frage lohnt es sich, an der eigenen Bindungs- und Beziehungsfähigkeit zu arbeiten – je nachdem, ob man vermeidend oder ängstlich gebunden ist. Menschen mit diesen unsicheren Bindungstendenzen können Schritt für Schritt in Richtung eines sicheren Bindungsstiles wachsen. Das bedeutet nicht, dass man sich komplett verändern muss, aber ohne alte Muster zu erkennen und neue Erfahrungen zulassen zu können, durchbricht man den Kreislauf selten.
Wichtig in diesem Zusammenhang:

  • Alte Prägungen und Muster erkennen.
  • Lernen, die eigenen Bindungsbedürfnisse zu kennen und klar zu kommunizieren.
  • Eigene Gefühle regulieren lernen.
  • Grenzen setzen und einhalten.

10. Das heißt, die eigenen Bindungsmuster können verbessert werden?

Ja, unsichere Bindungsmuster können definitiv verbessert werden. Das Nervensystem braucht dazu wiederholte Erlebnisse von Nähe, die nicht mit Schmerz oder Rückzug verbunden sind. So kann sich das innere Arbeitsmodell verändern. Man spricht hier in der Bindungspsychologie von „korrigierenden emotionalen Erfahrungen“ – das sind Momente, in denen wir erleben, dass Nähe nicht gefährlich ist, dass Konflikte lösbar sind und dass Verlässlichkeit möglich ist. Das hat auch neurobiologische Auswirkungen, denn unser Bindungssystem ist zum Glück ein Leben lang formbar, besonders wenn emotionale Sicherheit gegeben ist.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, eine bewusste Entscheidung zu treffen, sich nicht mehr auf vermeidende und emotional unerreichbare Menschen einzulassen, selbst wenn sie sehr anziehend wirken. Es braucht viel Mut, sich für ruhige und sichere Beziehungen zu öffnen – vor allem dann, wenn das vegetative Nervensystem viel Drama gewohnt ist („Das ist so ruhig und unaufregend – das kann keine Liebe sein.“)

Wirklich hilfreich ist es, bei diesem Prozess Unterstützung aus dem psychologischen Fachbereich hinzuzuziehen. Mit Coaching, psychologischer Beratung oder Psychotherapie kann man hier oft rasche und vor allem nachhaltige Veränderungen erreichen.

Mein Fazit dazu: Die Partnerwahl ist kein Schicksal, sondern eine Kombination aus Mustern und Entscheidungen. Wer seine Prägungen, Muster und den Bindungsstil kennt, kann lernen, gesunde Beziehungen zu führen, die auf Nähe, Vertrauen und gemeinsames Wachstum ausgerichtet sind – und sich bewusst (!) für einen passenden Partner entscheiden.

Warum wir uns immer in den Falschen verlieben
Amir Levine, Rachel S. F. Heller
Verlag: Goldmann

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