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Ghosting: Darum meldet sie oder er sich nicht mehr
Text: Stephanie Lindner, Mag. Anna Thaler

Geisterstunde

Ghosting: Darum meldet sie oder er sich nicht mehr

Flirtreiche Whatsapp-Nachrichten, ein schönes Date…eigentlich verlief doch alles vielversprechend, aber trotzdem meldet sie oder er sich auf einmal nicht mehr. Ein klarer Fall von Ghosting. Eine Beziehungscoachin erklärt die Gründe und wie man am besten darauf reagiert.

Mag.a Anna Thaler ist Paarberaterin und Beziehungscoachin mit Praxis in Gmunden am Traunsee. Sie bietet Unterstützung bei allen Themen rund um Paarbeziehung und Liebe. Die Beziehungscoachin kennt die Warnsignale beim Online-Dating („Red Flags“) und erklärt für ACTIVE BEAUTY das Online-Dating-Phänomen „Ghosting“.

Was ist Ghosting?

Der Begriff Ghosting kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt so viel wie „geistern“. Es handelt sich dabei um ein Phänomen, das besonders beim Online-Dating vermehrt auftritt. Die Beziehungscoachin Anna Thaler definiert es so: „Die Person, mit der man gerade noch geschrieben, telefoniert oder sich getroffen hat, verwandelt sich ohne Vorwarnung in einen ‚Geist‘ und verschwindet dann. Es werden keine Nachrichten mehr gelesen beziehungsweise beantwortet und keine Anrufe mehr entgegengenommen.“ Manche Ghoster gehen sogar so weit, dass sie die Social-Media-Accounts der betroffenen Person blockieren und so jegliche Art von Kontaktaufnahme unterbinden.

Die Gründe für Ghosting: darum ghosten Männer, aber auch Frauen

Erklärungen, warum Frauen oder Männer Online-Dating-Apps verwenden, gibt es viele. Manchmal sind sie einfach neugierig oder auf der Suche nach unverbindlichem Sex. Warum sie ihre Matches fallenlassen, indem sie diese ghosten, liegt laut der Beziehungscoachin Thaler an den folgenden drei Gründen:

1. Sie oder er ist nicht bereit für eine Beziehung
Oft wird sich auf einer Dating-App einfach nur umgesehen. Es ist einfach interessant, zu erfahren, wen man kennenlernen kann. Die Likes und Matches polieren dann das eigene Selbstbewusstsein auf und man bleibt weiter auf der App. Nur weil Menschen sich für Online-Dating anmelden, bedeutet das aber noch lange nicht, dass sie tatsächlich auf der Suche nach einer oder bereit für eine Beziehung sind. Laut einer Umfrage bei den Benutzern von Tinder sind die Hälfte der Befragten nicht an einem realen Treffen interessiert.

2. Sie oder er hat sich für eine andere oder einen anderen entschieden
Wenn man auf Dating-Apps unterwegs ist, muss man das auch immer als Spiel sehen, bei dem man viele Mitbewerberinnen oder Mitbewerber hat. Thaler erklärt das so: „Tinder (und andere Dating-Apps) wurden als Online-Game entwickelt, mit dem man möglichst viel Zeit verbringen soll. Dadurch sind die meisten Enttäuschungen ,vorprogrammiert‘. Dating ist ein Game, und Ghosting ist leider Teil davon und muss als Risiko einkalkuliert werden.“

3. Sie oder er ist gar nicht Single
Einfach mal umschauen. Leider schleicht sich immer mehr das Mindset ein, dass es da draußen ja noch jemand Besseren als den eigenen Partner geben könnte. Viele laden dann heimlich eine Dating-App herunter und checken ihren Marktwert und wen sie erobern können (Stichwort Ego-Boost). Ein paar Nachrichten oder ein heimliches Date inklusive. Wenn es dann ernst wird, machen sie sich aus dem Staub. Welche Frau oder welcher Mann erklärt schon gerne, dass sie oder er in einer Beziehung oder verheiratet und somit nicht verfügbar ist. Eine Tinder-Umfrage hat ergeben, dass zwei Drittel der App-Benutzer bereits vergeben sind.

Warum Ghosting und kein „ordentlicher“ Abschied?

Trennungen und Abschiede sind unschön. Nicht jeder hat das Rückgrat, in irgendeiner Form (Textnachricht, Brief, Anruf, Treffen) einen Schlussstrich zu ziehen. Ghoster haben besonders Angst davor, „dem Gegenüber die unangenehme Wahrheit ins Gesicht zu sagen“, erläutert Thaler. „Die Verantwortung für das eigene Handeln und die eigenen Gefühle wird nicht übernommen, um eventuellen Gefühlsausbrüchen, Gegenargumenten und Vorwürfen aus dem Weg zu gehen.“ Dahinter steckt wiederum, dass es dem Ghoster an Selbstwert mangelt. „Er möchte sich durch die Absage nicht unbeliebt machen und bekommt beim Ghosting die Ablehnung zumindest nicht mehr mit.“

Ghosting: Wie reagieren?

Laut Beziehungscoachin ist Ghosting „eine Form von Kontaktabbruch, die aufgrund der plötzlichen, unerwarteten und auch unerklärten Verlusterfahrung nachhaltige negative Auswirkungen auf die Psyche haben kann. Überraschende Trennungs- bzw. Verlusterfahrungen sind für uns Menschen sehr schwerwiegend.“ Viele Ghostingopfer fühlen sich dann verunsichert, zweifeln an sich selbst und gehen das zukünftige Dating dann oft viel misstrauischer an. Thaler rät zu folgendem Umgang mit Ghosting: Wenn man geghostet wird, soll man dieses Verhalten auf keinen Fall persönlich nehmen. Die Gründe für Ghosting liegen viel mehr bei der Person selbst. So kann man abschließen, wenn man geghostet wird:

1. Für sich selbst einen Abschluss finden und nicht warten, ob doch noch eine Erklärung nachkommt.
Dabei ist es laut Thaler hilfreich, sich immer wieder bewusst zu machen, dass es sich bei der Partnerwahl um eine Wahl handelt, die man selbst aktiv trifft: „Anziehung allein macht noch keine glückliche Beziehung. Die charakterlichen Eigenschaften eines Partners sind maßgeblich für zukünftiges Glück: Dadurch disqualifiziert sich der Ghoster durch sein Verhalten bereits zu 100%.“

2. Die Ablehnung für sich verarbeiten.
Zurückweisung und Ablehnung sind ausnahmslos schmerzhaft. Dabei ist es laut Beziehungscoachin besonders wichtig, sich diesen Schmerz zu erlauben und ihm Raum zu geben. Das funktioniert sehr gut mit Journaling. Man kann alles, was man zur Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte aufgeschrieben hat, auch auf Zettel schreiben und diese danach verbrennen. Auch zum bewussten Zeitnehmen für Trauer rät Thaler: „Sollte der Schmerz nicht nachlassen, hilft es, eine tägliche „Trauerzeit“ für 10 Minuten pro Tag zu einer festen Uhrzeit einzuplanen, damit man das schlechte Gefühl nicht den ganzen Tag mit sich herumschleppt.“

3. Sich den Trauerprozess bewusst machen und bei Bedarf psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
Die Dauer und Intensität des Liebeskummers nach dem Ghosting hängen laut Thaler von verschiedenen Faktoren ab: „Zum einen davon, wie lange das Dating oder die Beziehung gedauert haben und zum anderen, welche Erwartungen an die Person geknüpft waren.“