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Stress lass nach! Was die Expertin Eltern bei Trotzphase und Berufswiedereinstieg rät
Text: Eva Pohn

Bewusst machen

Stress lass nach! Was die Expertin Eltern bei Trotzphase und Berufswiedereinstieg rät

Eltern wissen: Das Familienleben ist ein ständiges Auf und Ab. Ein Auf und Ab an Gefühlen, an Herausforderungen, an Phasen. Wir sprechen mit Psychotherapeutin Heidemarie Eder, wie sich Eltern gegen Stress aufgrund der Trotzphase des Kleinkindes oder wegen des Wiedereinstiegs in den Beruf wappnen können.

Als Psychotherapeutin mit Schwerpunkt auf systemischer Familientherapie kennt Heidemarie Eder die intensivsten Stresszeiten bei Familien. Für uns rückt sie zwei besondere Phasen in den Fokus.

Frau Eder, warum ist die Trotzphase für viele Familien mit so viel Stress verbunden?

Die sogenannte Trotz- oder Autonomiephase tritt zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr des Kindes auf. Diese Phase geht mit einer hohen emotionalen Intensität einher. Kinder in der Autonomiephase zeigen oft starke emotionale Reaktionen wie Wut, Frustration und Unabhängigkeitsstreben. Die oft plötzlich auftretenden, manchmal rational nicht nachvollziehbaren und intensiven Emotionen können für Eltern herausfordernd sein. Gerade dann, wenn sie nicht wissen, wie sie angemessen darauf reagieren sollen. Kinder können in diesem Alter ihre Gefühle noch nicht selbst regulieren, sie brauchen die Unterstützung ihrer Bezugspersonen dazu. Erwachsene sind gefordert, eigene Gefühle von Wut, Ohnmacht und Unzulänglichkeit beiseitezustellen und das Kind in seiner Aufgebrachtheit ruhig und gelassen zu begleiten. Auch die eigene Kindheit und Erziehung kommt manchmal unerwartet zum Tragen und wird unbewusst weitergegeben. Die Autonomiephase kann lange andauern und von anderen Anforderungen des Familienlebens begleitet sein: Arbeit, Haushalt, berufliche Vereinbarkeit, Geschwisterkinder, Beziehungsprobleme usw. Eltern können sich überfordert, erschöpft fühlen, besonders wenn sie zu wenig Unterstützung und keine ausreichenden Pausen haben.

Was kann Eltern in dieser intensiven Stressphase helfen?

Wenn sich Mütter und Väter Folgendes bewusst machen, kann es helfen, die Trotzphase gemeinsam gut zu bewältigen:

  • Es ist wichtig zu beachten, dass die Autonomiephase eine normale Entwicklungsphase ist. Hier entwickelt das Kind seine eigene Identität und Persönlichkeit. Obwohl es oft anstrengend sein kann, ist sie ein wichtiger Teil des Wachstums und der gesunden Entwicklung. Ein besseres Verständnis über die Merkmale und die Aufgaben in dieser Phase helfen, die Verhaltensweisen und die Bedürfnisse des Kindes besser zu verstehen und zu begleiten.
  • Versuchen Sie, die Welt aus der Perspektive des Kindes zu sehen, dem es noch nicht möglich ist, seine Emotionen selbst zu regulieren. Empathie und Geduld helfen Ihnen dabei, dem Kind Unterstützung und Sicherheit zu bieten.
  • Auch Eltern haben Bedürfnisse, kommunizieren Sie diese ruhig und klar. Manchmal ist es möglich, einen Kompromiss zu finden: „Nicht jetzt, aber ein bisschen später…“, „nicht dieses Spiel, Nahrungsmittel, etc., sondern du kannst wählen zwischen diesem und jenem.“
  • Bemerken, benennen, verstärken und belohnen Sie das Verhalten, das Sie sich von Ihrem Kind wünschen. Leben Sie dem Kind vor, wie Sie selbst gut Wut und Frustrationen kommunizieren können.
  • Jedes Kind und jede Familie ist einzigartig, daher kann es hilfreich sein, verschiedene Ansätze auszuprobieren und herauszufinden, was am besten zu Ihnen und Ihrem Kind passt.
  • Achten Sie gut auf eigene Bedürfnisse, kümmern Sie sich auch um sich selbst, suchen Sie Hilfe und nehmen Sie Unterstützung, wann immer sich diese bietet, ohne schlechtes Gewissen an. Es wird wieder leichter, versprochen!

Welche konkreten Tipps würden Sie stressgeplagten Eltern in folgenden Situationen geben?

Das Kind wirft sich im Supermarkt auf den Boden und brüllt, weil es seinen Wunschartikel nicht bekommt:

Atmen Sie tief durch und bleiben Sie möglichst ruhig. Versuchen Sie, Ihre eigenen Gefühle zu regulieren. Auch wenn es schwerfällt: Zeigen Sie Empathie. Ihr Kind kommt mit der Situation gerade nicht zurecht. Begleiten Sie es durch die Wut und Ohnmacht. Aber bleiben Sie dabei klar und bestimmt, wenn es für Sie wichtig ist, dass Ihr Kind etwas macht oder unterlässt. Und vergessen Sie nie: Jeder Trotzanfall und jede Trotzphase hat auch wieder ein Ende.

Das Kind lässt sich an einer viel befahrenen Straße nicht an der Hand nehmen:

Sie sind der Erwachsene und Sie übernehmen die Verantwortung für Ihre Entscheidungen und für die Ihres Kindes. In einer realen Gefahrensituationen bringen Sie Ihr Kind aus der Gefahrensituation, selbst wenn Sie es tragen müssen.

Das Kind möchte weder Zähneputzen noch das vorbereitete Gewand anziehen:

Geben Sie Ihrem Kind eine Pseudoauswahl: „Möchtest du jetzt Zähneputzen oder in zehn Minuten?“ „Willst du die grüne Hose oder lieber die gelbe anziehen?“ In Alltagssituationen soll das Kind auch eigene Entscheidungen treffen dürfen.

Am Spielplatz kann das Kind einfach nicht zum Heimgehen bewegt werden:

Planen Sie immer genügend Zeit ein, um einen Kompromiss anbieten zu können: „Okay, du kannst gerne noch einmal rutschen und dann gehen wir.“ Manchmal hilft es auch, das Kind abzulenken, um aus der Situation zu kommen.

Frau Eder, auch der Wiedereinstieg in den Beruf ist für viele Mütter mit großem Stress verbunden. Warum ist das so?

Mütter können sich in einem Konflikt zwischen der Rolle als Mutter und als Berufstätige befinden. Sie müssen den Spagat zwischen Verantwortung für die Kinder und die Anforderungen des Arbeitsplatzes bewältigen. Die Organisation der Kinderbetreuung ist eine der größten Herausforderungen beim Wiedereinstieg in den Beruf. Doch eine geklärte, eingespielte tägliche Betreuung in der Krabbelgruppe oder im Kindergarten ist das A und O für einen gelungenen Wiedereinstieg in den Beruf. Ziel sollte es sein, dass eine Mutter im Beruf wirklich wieder Fuß fassen und auch weiterkommen kann. Nicht alle Arbeitsplätze bieten genug Flexibilität, um Beruf und Familie gut vereinbaren zu können. Nach einer längeren Pause kann es zudem schwierig sein, den neuen Entwicklungen und veränderten Arbeitsabläufen sofort gerecht zu werden. Die Doppelrolle und Mehrfachbelastungen führen dazu, dass man den eigenen Erwartungen und den Erwartungen anderer in keinem Bereich (gefühlt) mehr entsprechen kann.

Was würden Sie Müttern raten, die sich in dieser Situation befinden?

  • Die einfachste Lösung ist erstmal, den Haushalt hintenanzustellen und die Verantwortung sowie die Verpflichtungen mit dem Partner und den Kindern so weit wie möglich zu teilen.
  • Netzwerke wie Elterngruppen oder Kinderbetreuungsnetzwerke bieten eine wertvolle Unterstützung, um mit seinem Stress nicht alleine zu sein.
  • Beginnen Sie frühzeitig mit der Planung des Wiedereinstiegs und verhandeln Sie flexible Arbeitszeitmodelle mit dem Arbeitgeber. Je mehr Handlungsspielraum Sie haben, desto einfacher können Sie auf unvorhergesehene Situationen (wie Krankheit des Kindes) reagieren und desto leichter fällt der Balanceakt zwischen Beruf und Familie.
  • Setzen Sie sich realistische Ziele und Erwartungen für den Wiedereinstieg. Geben Sie sich selbst die Erlaubnis, Fehler zu machen. Und räumen Sie Zeit für Anlaufschwierigkeiten ein.
  • Versuchen Sie Zeit für Pausen, Entspannung, Erholung und Selbstfürsorge zu schaffen, indem Sie zum Beispiel die Großeltern der Kinder regelmäßig als Babysitter anfragen oder mit befreundeten Müttern an einem fixen Nachmittag die Kinderbetreuung abwechseln.