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Stefanie Reinsperger über Sehnsüchte, Wut und Glaubenssätze
Text: Eva Pohn

Interview

Stefanie Reinsperger über Sehnsüchte, Wut und Glaubenssätze

Mit ihren 35 Jahren hat Stefanie Reinsperger schon viel erreicht. Ausgezeichnet mit der Romy und dem Nestroy-Preis feiert die Badnerin Erfolge in Theater und Fernsehen – sei es als Buhlschaft beim Jedermann oder als Tatort-Hauptkommissarin. Demnächst ist Stefanie Reinsperger in ihrer ersten Kino-Hauptrolle zu sehen – „Mermaids don’t cry“ startet am 7.7. in den Kinos.

Stefanie Reinsperger, wie ist, wenn man Sie demnächst ganz prominent auf den heimischen Kinoleinwänden sehen wird?

Noch sehr unwirklich. Dieser Film hatte einen sehr langen Vorlauf. Dies ist immer eine spannende Zeit, gerade fürs Kino. Ich wünsche mir einfach, dass sich im besten Fall sehr viele Leute diese Geschichte ansehen und beschwingt und glücklich mit etwas Neuem aus dem Kinosaal rausgehen.

Um welche Geschichte geht es bei „Mermaids don’t cry“?

Ich verkörpere die Supermarktverkäuferin Annika, die sich nach einer besonderen Meerjungfrauenflosse sehnt. Sie würde Glanz in ihre chaotische Welt bringen, in der ihr Vater wieder bei ihr einzieht, ihre Freundin ihre Kinder bei ihr abstellt und ihr potenzieller Liebhaber nicht mehr geht, weil er obdachlos ist. Annika glaubt, dass sie sich durch die sündhaft teure Meerjungfrauenflosse Glück im Leben erkaufen kann – doch merkt dann schmerzlich, dass das so nicht funktioniert.

Was mögen Sie an der Protagonistin?

Annika ist eine ambivalente Figur – eigentlich eine Antiheldin. Der Bogen, bis sie Stärke entwickelt, spannt sich lange. Womit ich mich sehr verbinden kann, ist, dass sie mit ihrem abstrusen Traum von niemandem ernst genommen wird – aber sich dennoch nicht davon abbringen lässt. So unsicher sie in anderen Bereichen ist, so unerschütterlich ist sie bei ihrem Meerjungfrauentraum.

Für Annika ist es die Meerjungfrauenflosse – was ist Ihr persönliches Sehnsuchtsobjekt?

Ich glaube, ich habe gar kein richtiges Sehnsuchtsobjekt. Ich merke, bei mir sind es im Moment eher Sehnsüchte nach Frieden und nach ein bisschen mehr Ruhe. Ich habe in den letzten zweieinhalb Jahren das Gefühl, dass die Welt über mir zusammenbricht und ich mich sehr machtlos fühle. Ich empfinde es so, als ob es das Leben vor Corona gab und jetzt alles danach. Auch wenn ich weiß, dass davor auch nicht alles perfekt und toll war, trotzdem wünsche ich mich da manchmal wieder zurück. Das ist eher ein Sehnsuchtsort als ein Sehnsuchtsobjekt.

Während der Corona-Zeit entstand Ihr erstes Buch mit dem Titel „Ganz schön wütend“. Warum ist Wut Ihr Lieblingsgefühl?

Für mich hat Wut etwas sehr Befreiendes. Dieses Buch war auch der Versuch, sich mit dem Gefühl zu versöhnen und es zu rehabilitieren. Weil wir Wut meist mit etwas Negativem konnotieren, sehr oft mit etwas Männlichem. Und weil meine Lieblingswut die Spielwut ist, die bei mir am meisten freisetzt und mir am meisten Antrieb verleiht. Ich mag es, den Charakteren eine Portion Wut mitzugeben. Ich suche förmlich danach, weil Wut Frauen oft abgesprochen wird.

Man liest, Sie bekommen regelmäßig Hassbotschaften, die Ihren Körper betreffen. Wie gehen Sie damit um?

Das passiert tatsächlich sehr, sehr oft, wenn im Fernsehen etwas ausgestrahlt wird. Weil Fernsehen natürlich eine andere Reichweite hat und es oft Postings dazu gibt. Dies schafft eine Plattform für Menschen, sich sehr unqualifiziert und respektlos zu äußern. Ich würde lügen, wenn ich sage, das ist mir inzwischen alles egal. Das ist nicht so. Menschen muss klar sein: Worte haben Konsequenzen – das macht etwas mit dem Gegenüber. Aber ich lasse mich nicht mehr klein machen. Das habe ich zu lange gemacht. Ich habe mich zurückgezogen. Ich bin in Abwehr gegangen. Und das mache ich nicht mehr. Ich bin gerne laut und ich lasse mir das nicht mehr gefallen.

Welche Glaubenssätze hat Stefanie Reinsperger?

Empathie und Respekt sind mir sehr, sehr wichtig. So bin ich von meinen wundervollen Eltern erzogen worden – das haben sie meiner Schwester und mir schon früh mitgegeben. Und keine Angst zu haben, sich für das Richtige einzusetzen, auch wenn das vielleicht damit verbunden ist, dass dich nicht alle mögen oder toll finden. Aber wenn ich tief in mir spüre, das fühlt sich nicht richtig an, dann muss ich was sagen. Und ich freue mich immer, wenn ich in meinem Umfeld auf Menschen stoße, denen es genauso geht.

Sie sind Preisträgerin der Romy und des Nestroy-Preises. Was glauben Sie, mag das Publikum an Ihnen?

Ich hoffe, meine Arbeit! Ich bin die, die ich bin. Ich bin gerne überbordend. Ein lieber Kollege hat einmal gesagt, dass ich eine spielerische Zumutung bin. Das fand ich ein fantastisches Kompliment. Er hat das auch sehr liebevoll gemeint. Es gefiel mir irgendwie. Und natürlich ist es sehr, sehr berührend, wenn meine Arbeit bei den Leuten, also dem Publikum, auf Zuspruch stößt und wenn sie damit etwas anfangen können.

Drehen wir den Spieß um – wie muss ein Mensch sein, um Sie in Staunen zu versetzen?

Das ist eine schöne Frage. Ich finde Menschen anziehend, die sich immer wieder selbst herausfordern. Ich bewundere auch Menschen, die andere herausfordern und keine Angst vor den Konsequenzen haben. Und in der Arbeit verfalle ich jedem, der eine bedingungslose Leidenschaft für diesen Beruf mitbringt – ganz egal ob vor der Kamera, hinter der Bühne, um die Bühne oder im Synchronstudio. Da schmelze ich dahin.

Mit Ihren 35 Jahren haben Sie eine beachtliche schauspielerische Laufbahn hingelegt. Gibt es eine Rolle, die Sie noch unbedingt spielen möchten?

Es gibt Menschen, mit denen ich gerne wieder und weiterarbeiten möchte. Und ich habe kürzlich eine sechsteilige Mini-Serie gedreht, die wahrscheinlich nächstes Jahr ausgestrahlt wird – da habe ich ein bisschen Blut geleckt. Über eine längere Dauer einen Charakter zu erzählen, wäre etwas, dass ich mir sehr wünschen würde. Ich habe gemerkt, dass es total guttut, wenn du diese lange Zeit hast, dich mit deinem Charakter zu beschäftigen.

Apropos 35 Jahre alt – was ist das Beste an Ihrem aktuellen Alter?

Ich bin manchmal froh, dass ich in gewissen Dingen ruhiger bin als früher. Diese Zahl setzt mich auch nicht unter Druck oder stresst mich. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, das werde ich, denke ich, auch immer so bleiben, aber es setzt sich ein bisschen mehr ins Verhältnis zu früher.