Spenden: Vom Segen namens Geben
Lina hatte keine großen Erwartungen, als sie ihre Aktion bei der Spendenplattform GoFundMe startete. Sie wollte einfach helfen: Der Bauernhof ihrer Nachbarin Sabine H. stand nach einer Kette unglücklicher Umstände kurz vor der Versteigerung. Also stellte Lina Fotos online, erzählte die Geschichte, klickte auf „Veröffentlichen“.
Was dann passierte, übertraf all ihre Vorstellungen: Es gingen mehr als 250.000 Euro an Spenden ein. Menschen aus ganz Österreich und darüber hinaus beteiligten sich. Einer von ihnen schrieb in den Kommentaren: „Anstatt Lotto zu spielen, habe ich die 25 Euro lieber an Sabine gespendet, dort sind sie besser aufgehoben.“ Das gesammelte Geld reichte aus, um die Versteigerung aufzuschieben. Und dann geschah noch etwas Unerwartetes: Ein anonymer Großspender erklärte sich bereit, den restlichen Betrag zu übernehmen – Sabine konnte ihren Hof behalten. Diese Geschichte zeigt: Manchmal bewegt eine einfache Geste mehr, als man für möglich gehalten hätte. Dabei sind solche Akte der Solidarität keine Ausnahme. Fragt man im eigenen Umfeld, ist man überrascht, wie viele spenden, sei es online oder auf der Straße, in Form von Geld, Kleidung oder Futter fürs Tierheim.
Spendenbereitschaft: der aktuelle Stand
Wenn schlimme Dinge passieren, rücken Menschen näher zusammen. Das zeigte sich auch beim Ukraine-Krieg. In vielen Ländern kam es zu Beginn des russischen Angriffs zu Rekordwerten an Spenden. Dasselbe zeigt sich bei den aktuellen Konflikten in Gaza. Spenden sind stark vom Dringlichkeitsfaktor geprägt, und dieser richtet sich je nach Nachrichtenlage. Standen früher vor allem Kinderprojekte im Fokus, geht es heute auch um Klimaschutz und Katastrophenhilfe – Nachrichten über die mannigfaltigen Krisen in der Welt sind immer öfter mit gezielten Spendenaufrufen verbunden. Wie reagieren Menschen darauf, die in ihrem Alltag zunehmende Belastungen, etwa durch gestiegene Lebenskosten, empfinden? Zum Glück gibt es offensichtlich keinen Einbruch bei der Spendenbereitschaft. So zeigt die Charities Aid Foundation in ihrem aktuellen „World Giving Report“ ein über die Jahre gleichbleibendes Bild: In Europa spendet man pro Kopf durchschnittlich 0,64 Prozent des persönlichen Jahreseinkommens. Europäische Unternehmen gaben tendenziell in den letzten Jahren weniger, während Vermächtnisse aus Testamenten immer häufiger werden. In Schweden kommen inzwischen 17 Prozent aller Spenden aus Erbschaften, in Großbritannien sogar fast ein Drittel. Aus welchen Quellen das Geld auch stammen mag – zu einem Zeitpunkt im Jahr kommt europaweit besonders viel zusammen: Der Dezember ist immer noch mit Abstand der wichtigste Monat. Rund um Weihnachten und Neujahr wird Nächstenliebe – auch durch Aktionen von karitativen und religiösen Vereinigungen – noch größer geschrieben.
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Neue Möglichkeiten, aber auch Risiken
Spenden bedeutet längst nicht mehr nur, einen klassischen Dauerauftrag an eine Organisation einzurichten. Die Formen des Gebens sind heute so vielfältig wie nie. Sabine H. war mit ihrem geretteten Bauernhof nur eine von vielen Personen, denen per Crowdfunding geholfen wurde – genauer gesagt, reiht ihr Fall sich ein in die weltweit über 200 Millionen Spendenaktionen der Online- Plattform GoFundMe. Mikrospenden-Apps wie RoundUp runden Einkäufe auf und spenden die Differenz. Im urbanen Bereich versorgen „offene“ Kühlschränke und Garderoben jene mit Lebensmitteln und Kleidung, die sie dringend brauchen. Sogar auf Hochzeiten wird heute statt um Geschenke um Geld für den guten Zweck gebeten. Die vermehrten Angebote bringen aber auch mehr Gefahren mit sich – für Betrugsversuche bietet sich die relative Anonymität der digitalen Welt natürlich an. So waren nach dem Erdbeben in der Türkei 2023 innerhalb weniger Stunden gefälschte Spendenlinks in sozialen Medien aufgetaucht. Eine Studie der Cornell-Universität bestätigt, dass Plattformen wie X, Instagram, Facebook oder YouTube zunehmend für Spendenbetrug missbraucht werden. Wie lassen sich also vertrauenswürdige Organisationen zuverlässig identifizieren? Der sicherste Anhaltspunkt ist ein offizielles Gütesiegel, das mit strengen Kriterien arbeitet und regelmäßig prüft. „Wir tragen seit über 20 Jahren das Österreichische Spendengütesiegel und legen großen Wert auf Datensicherheit“, sagt Nora Deinhammer, Geschäftsführerin von SOS-Kinderdorf. „Unser Rechenzentrum entspricht den neuesten Sicherheitsstandards, um Cyberangriffe zu verhindern. Spenden sind nie anonym, da immer Personendaten abgefragt und verschlüsselt übertragen werden.“ Seriöse Spendennehmer setzen auf Transparenz, wodurch sich eine weitere wichtige Frage klärt: Wofür wird mein Geld eigentlich verwendet?
Bei wem das Geld ankommt
Seriöse Organisationen schlüsseln genau auf, wofür der Beitrag verwendet wird. Das sei nicht nur von Spendengütesiegeln so vorgesehen, sondern schafft ein sicheres Gefühl, sagt Nora Deinhammer: „Wir wissen um das Vertrauen, das Menschen uns schenken, und tun alles, um dem gerecht zu werden.“ Beim SOS-Kinderdorf bleiben laut offengelegtem Jahresbericht beispielsweise von jedem Zehn-Euro-Beitrag knapp neun Euro als reine Spende übrig. Etwa zwölf Prozent fließen in Verwaltung und notwendige Spendenwerbung. Die Kinderhilfsorganisation Unicef schlüsselt die Verwendung der Gelder so auf: 75,26 Prozent gehen an Hilfsprogramme, 19,34 Prozent an Werbung und 5,4 Prozent an Verwaltungsausgaben. Deshalb sollten uns bunte Spenden-Mailings, Merchandise oder Werbekampagnen nicht abschrecken: Ohne Sichtbarkeit gäbe es auch weniger Spenden. Der größte Teil kommt bei jenen an, die ihn wirklich brauchen.
Warum Geben so guttut
Alles wird teurer, das Geld reicht oft gerade so – und eigentlich haben andere viel mehr, dann sollen die doch erst mal spenden ... Gedanken wie diese schleichen sich schnell ein, dabei können selbst kleine Beträge Großes bewirken. Übrigens auch für das eigene Wohlbefinden. Denn Spenden, so fand Psychologe Allan Luks in den 1980er-Jahren heraus, hat nachweislich positive Effekte. In seinen Studien berichteten viele Menschen, dass sie beim Unterstützen anderer ein intensives Hochgefühl erlebten: körperliche Freude, mehr Energie, sogar eine Linderung von Schmerzen. Luks führte dies auf die Ausschüttung körpereigener Botenstoffe zurück, insbesondere Endorphine, Dopamin und Oxytocin. Diese Neurochemikalien senken Stress, wirken wie Schmerzmittel und sorgen für anhaltendes Wohlbefinden. Das von ihm benannte „Helper’s High“ beschreibt also den Zustand, in dem altruistisches Handeln nicht nur die Empfängerinnen und Empfänger, sondern auch die Spenderinnen und Spender selbst nachhaltig bereichert. In der aktuellen Studie des Fundraising Verbands Austria nennen Menschen am häufigsten Mitgefühl, persönliche Betroffenheit oder Dankbarkeit für das eigene Leben als Motivation. Motivierend ist auch das Wissen, etwas Konkretes zu bewirken: Wenn klar ist, dass eine Spende jemandem eine Mahlzeit, eine Therapie oder einen sicheren Schlafplatz ermöglicht, fällt die Entscheidung leichter.
Checkliste für sicheres Spenden
- Gibt es ein offizielles Spendengütesiegel wie z. B. das Österreichische Spendengütesiegel, das deutsche DZI-Spendensiegel oder das Europäische Spendensiegel e.V.?
- Findet sich auf der Website ein Impressum, ein Jahresbericht und ein klarer Ansprechpartner?
- Werden Verwendung und Wirkung der Spenden offengelegt und verständlich aufgeschlüsselt?
- Finger weg von anonymen PayPal-Links, WhatsApp-Ketten oder plötzlich auftauchenden Accounts mit zweifelhaftem oder unbekanntem Absender nach Katastrophen.
- Im Zweifel: Telefonisch nachfragen – seriöse Organisationen geben gern Auskunft.