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Mobbing in der Schule: Mit diesen Expertentipps können Sie Ihrem Kind helfen
Text: Paula Rausch, Mag. Hans Christian Jurceka

Schulangst

Mobbing in der Schule: Mit diesen Expertentipps können Sie Ihrem Kind helfen

Eigentlich sollte die Schule ein Ort der Weiterentwicklung und Bildung sein. Wenn sie sich für Kinder plötzlich zum Angstraum entwickelt, sind viele Eltern verunsichert. Wann spricht man von Mobbing in der Schule, wie geht man mit einem Verdacht auf Mobbing um und wann sollte man auf jeden Fall einschreiten? Diese und weitere Fragen stellen sich betroffene Eltern.

Mobbing in der Schule

Mobbing in der Schule kann bei betroffenen Kindern, aber auch bei deren Eltern zu großer Verunsicherung und einem Gefühl von Ausweglosigkeit führen. Der Coach und Psychotherapeut Mag. Hans Christian Jurceka hat eine Praxis in Wien, in der er unter anderem Betroffene von Mobbing berät. Hier beantwortet er unsere Fragen zum Thema Mobbing in der Schule.

1. Wie lautet die Definition von Mobbing und ab wann spricht man von Mobbing in der Schule?

Mobbing ist ein soziales Phänomen, bei dem es innerhalb einer Gruppe zur Gewaltausübung kommt. Von Mobbing spricht man, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Gewaltausübung: Diese kann unterschiedliche Formen annehmen, wie psychische oder körperliche Gewalt. Zunehmend spielen dabei auch Online-Medien eine Rolle: Das sogenannte Cybermobbing ist besonders belastend für Opfer, weil Chatgruppen oder soziale Medien bei Jugendlichen omnipräsent sind und ein Rückzug sehr schnell zur sozialen Isolation führt.
  • Rollenverteilung: Es gibt einen oder mehrere Täterinnen oder Täter, die ein Opfer vorsätzlich schikanieren. Daneben tragen in der Gruppe Zuschauerinnen oder Zuschauer oder Mitläuferinnen oder Mitläufer zur Eskalation bei.
  • Machtgefälle: Zwischen Täterin oder Täter und Opfer besteht ein Machtgefälle, das durch Mobbing noch verstärkt wird.
  • Wiederholung: Es handelt sich nicht um einen einzelnen Vorfall, sondern Mobbing wird systematisch und wiederholt ausgeübt.

Soziale und persönliche Folgen: Bei Mobbingopfern entsteht ein sehr hoher Leidensdruck, sie werden sozial ausgeschlossen und fühlen sich zunehmend hilflos.

2. Wie kommt es zu Mobbing in der Schule bzw. welche Hintergründe kann Mobbing haben?

Die Schule ist der Ort, an dem Kinder und Jugendliche sich ausprobieren, soziale Erfahrungen machen und gruppendynamische Phänomene sich besonders intensiv zeigen. Oft geht es darum, Konflikte auszutragen, seinen Status in der Gruppe zu behaupten, eigene Unsicherheiten zu bewältigen oder Gefühle wie Langeweile oder Frustration auszuleben. Mobbing in der Schule geht auch häufig mit Diskriminierung aufgrund von wahrgenommenen Unterschieden einher, wie beispielsweise Gender, Aussehen, sexuelle Orientierung, Migrationshintergrund oder sozialer Status.

3. Welche Anzeichen und Warnsignale können darauf hindeuten, dass mein Kind von Mobbing in der Schule betroffen ist?

Folgende Zeichen können auf Mobbingerfahrungen hindeuten:

  • Verhaltensänderungen: Kinder agieren plötzlich anders, verlieren die Freude an ihren bisherigen Interessen und Unternehmungen oder ziehen sich sozial zurück.
  • Emotionale Veränderungen: Kinder zeigen plötzlich Angst, sind gereizt, unkonzentriert oder abweisend.
  • Körperliche Beschwerden: Plötzliche Appetitlosigkeit, Schlafprobleme, Kopfschmerzen oder Verdauungsbeschwerden können auf Belastungsfaktoren und Konflikte hindeuten. Körperliche Verletzungen sind Alarmzeichen, die auf eine Eskalationsstufe hindeuten können.
  • Nachlassende schulische Leistungen können auch mit Mobbingerfahrungen zu tun haben.
  • Verluste oder Beschädigungen von persönlichen Gegenständen können durch Mobbing verursacht sein.

4. Was kann man tun, wenn man den Verdacht hat, dass das eigene Kind von Mobbing in der Schule betroffen ist?

Zunächst ist es ganz wichtig, sein Kind ernst zu nehmen, genau zuzuhören und ihm die Angst zu nehmen. Dann sollten Mobbing-Verdachtsfälle offen und direkt angesprochen werden. Je größer der Kreis der involvierten Personen ist, desto besser kann geholfen werden. Lehrerinnen und Lehrer haben die Verpflichtung, einzuschreiten und auch andere Eltern können in die Verantwortung genommen werden. Die konkrete Mobbingsituation muss schnell unterbrochen bzw. beendet werden. Daneben gilt es, Themen wie Respekt, Gruppendynamik und Konfliktverhalten zu besprechen und zu trainieren – in der Klasse aber auch zuhause. Bei der direkten Hilfe für Mobbing-Opfer geht es vor allem darum, den Kreislauf der erlebten Ohnmacht zu durchbrechen, sodass Betroffene sich wieder handlungsfähig und selbstsicher erleben können. Dabei kann auch therapeutische Unterstützung durch Expertinnen und Experten hilfreich sein.

5. Was kann man umgekehrt tun, wenn man befürchtet, dass das eigene Kind jemanden mobben könnte?

Hier ist es vor allem wichtig, offen mit seinem Kind zu sprechen und ihm die Bedeutung von einem respektvollen Miteinander und konstruktiven Konfliktlösungsstrategien zu vermitteln. Es braucht Mut und Selbstbewusstsein, aus einem Mobbingkreislauf auszusteigen – dies gilt sowohl für Opfer als auch für Täterinnen und Täter.

6. Wie kann man, in Bezug auf Mobbing in der Schule, am besten das Gespräch mit Lehrerinnen und Lehrern bzw. anderen Eltern suchen?

Je schneller und konkreter, desto besser. Bei Mobbing in der Schule ist immer Gefahr in Verzug, weil die negative Gruppendynamik sich über die Zeit stabilisiert und daher rasch unterbrochen werden muss. Betroffene sollen Lehrerinnen und Lehrer und andere Unterstützerinnen und Unterstützer möglichst direkt um Hilfe bitten und wirksame Maßnahmen einfordern. Es geht dabei vor allem um folgende Schritte:

  • Informationen teilen: Was (ist) passiert?
  • Achtsamkeit bei allen Beteiligten fördern: Wie erkennen wir kritische Situationen?
  • Soziale Kompetenzen entwickeln: Was kann ich tun?
  • Zivilcourage unterstützen: Wie schreite ich ein? Stopp sagen!

7. Wohin kann man sich wenden, wenn man mit der Situation überfordert ist? Welche Anlaufstellen für Eltern und Kinder gibt es in Bezug auf Mobbing in der Schule?

Expertinnen und Experten wie Schulpsychologinnen und -psychologen, Sozialarbeiterinnen und -arbeiter oder Psychotherapeutinnen und -therapeuten können zusätzlich zum Personal in der jeweiligen Schule eine wertvolle Unterstützung sein. Daneben gibt es einige hilfreiche Beratungsstellen:

8. Haben Sie noch einen wichtigen Tipp, den Sie betroffenen Lehrpersonen, Eltern und Kindern in Bezug auf Mobbing in der Schule mitgeben möchten?

Mobbing-Situationen leben vom Schweigen der Betroffenen, daher: Fassen Sie Mut, sprechen Sie das Thema rasch und aktiv an und suchen Sie sich Hilfe von unterschiedlichen Unterstützern.