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Baby-led Weaning: So funktioniert babygeleitete Beikost laut Expertin
Text: Stephanie Lindner, Mag. (FH), MBA Doris Kubicka

Bye-Bye Brei!

Baby-led Weaning: So funktioniert babygeleitete Beikost laut Expertin

Mag. (FH), MBA Doris Kubicka ist Still- und Laktationsberaterin IBCLC sowie Dipl. Familienbegleiterin Fachkraft für „Babygeleitete Beikost“. Außerdem bietet sie verschiedene Kurse zu Babythemen, wie zum Beispiel „Beikostreife, Brei & Baby-Led Weaning“ (auch online) an. Für ACTIVE BEAUTY hat sie alle Fragen rund um Baby-led Weaning beantwortet.

1. Frau Mag. Kubicka, was ist Baby-led Weaning?

Baby-led Weaning ist der vom Baby gesteuerte Weg weg von der reinen Ernährung durch Muttermilch oder Pre-Nahrung, beginnend mit dem ersten Kennenlernen von Beikost bis zum letzten Stillen oder letzten Flaschenmahlzeit mit einer individuellen Dauer von 6 Monaten bis hin zu mehreren Jahren. Dabei wird das Baby nicht mit Brei gefüttert, sondern füttert sich selbst und isst am „angepassten Familientisch“ (siehe Frage 4) mit. D.h. die Eltern entscheiden, was angeboten wird, und das Baby füttert sich selbst und entscheidet auch selbst, was und wieviel es davon isst. Als Leitmotiv gilt die kindliche Neugierde, nicht der Hunger.

2. Worauf kommt es bei Baby-led Weaning (kurz BLW) an? Was muss man dabei beachten?

Grundvoraussetzung ist ein beikostreifes, gesundes Baby, das nicht allzu hungrig oder müde ist – denn mit Hunger oder großer Müdigkeit macht es einfach keinen Spaß, etwas Neues zu entdecken. Die Lebensmittel werden am Beginn in länglicher, gut greifbarer Form angeboten – etwa einem Erwachsenenfinger entsprechend. Die Kinder sitzen aufrecht (anfangs noch auf dem Schoß der Eltern) und können die Lebensmittel frei und ohne Druck mit allen Sinnen begreifen. Eine Regel gilt immer – egal ob die Kinder mit BLW die Beikost entdecken oder Brei mit gelegentlichem Fingerfood bekommen: Säuglinge und Kleinkinder sollte niemals unbeaufsichtigt essen, auch nicht im Auto in der Babyschale oder im nach vorwärts gerichteten Kinderwagen.

3. Ab wann kann man mit Baby-led Weaning beginnen?

Die WHO empfiehlt volles Stillen bis zum vollendeten sechsten Lebensmonat und ein Weiterstillen mit gleichzeitiger Einführung geeigneter Beikost. Dies gilt analog auch für mit Pre-Nahrung ernährte Kinder. Rund um den sechsten Lebensmonat zeigen sich auch bei den allermeisten Babys die Beikostreifezeichen. Diese sollten immer erfüllt sein – egal, ob das Baby Brei bekommt oder Fingerfood: Es kann mit wenig Unterstützung in der Hüfte aufrecht sitzen für die Dauer einer Mahlzeit (Rumpfstabilität), die Auge-Hand-Mund-Koordination ist so weit ausgeprägt, dass es ein Lebensmittel gezielt aufnehmen und zum Mund führen kann, und der Zungenstoßreflex ist verschwunden. Das Interesse für das Essen ist meist vorher schon da, aber das allein (also etwa ein Greifen nach Besteck oder Essen, ein „mitkauen“ oder ähnliches) stellt noch kein Beikostreifezeichen dar, sofern die drei genannten Reifezeichen fehlen.

4. Welche Lebensmittel sind gut für Baby-led Weaning geeignet?

Das Kind isst bei BLW am angepassten Familientisch mit. Angepasst bedeutet, dass es alles haben kann, was nicht auf der „Verbotsliste“ steht (siehe nächste Frage). Wichtig ist, auf die richtige Konsistenz zu achten: Als Test nimmt man das Lebensmittel einfach selbst in den Mund probiert, ob man es mit der Zunge zerdrücken kann (und nicht vergessen, dass die Kinder ja auch ihre Kauleisten fest einsetzen können).

5. Welche Lebensmittel sind auf keinen Fall geeignet?

Säuglinge sollten keine rohen Lebensmittel (also Fleisch, Fisch und Eier immer gut durchgaren), Zucker, koffeinhaltiges, Alkohol (verkocht sich nicht ausreichend verlässlich in Saucen!), verarbeitete Wurstwaren & Fastfood, Honig und Ahornsirup essen. Ebenso vorsichtig sollte man bei Salz sein: Am besten ohne Salz kochen und die Erwachsenenportionen erst bei Tisch salzen. Ein Stück Brot, welches ja auch ein wenig Salz enthält, ist ok – aber die Butter oder der Aufstrich darauf sollte kein Salz enthalten. Würzen mit Kräutern und anderen Gewürze (sofern nicht allzu scharf) ist erlaubt.
Strikt verboten sind bestimmte Konsistenzen: Nüsse im Ganzen sind aufgrund ihrer Aspirationsgefahr verboten – dies gilt sogar bis ins Vorschulalter (Faustregel: „Nüsse erst, wenn du Nüsse schon schreiben kannst“). In geriebener Form sind Nüsse natürlich okay. Gleiches gilt für alles prallelastische: Kleine Cocktailtomaten, Beeren, Weintrauben und Ähnliches müssen geschnitten werden; Popcorn ist ebenso tabu wie Lebensmittel, die im Mund Klumpen bilden, wie etwa Milchbrötchen. Haut und Gräten (etwas bei Fisch) immer sorgsam entfernen. Weiters zu beachten ist, dass die angebotene Kuhmilch im ersten Lebensjahr die Menge von 150-200ml pro Tag nicht überschreiten sollte und nur 1x täglich als Mahlzeit – nicht als Getränk – gereicht werden darf. Joghurt zählt hier zur Maximalmenge dazu. Käse und Topfen sind aufgrund des hohen Proteingehalts (und beim Käse auch wegen des Salzes) nicht geeignet bzw. nur in sehr kleinen Mengen. Hier macht die Dosis das „Gift“ – ein Streifen Schwarzbrot mit ganz wenig selbstgemachten Kräutertopfen ohne Salz ist sicherlich nichts, worüber man sich Sorgen machen muss. Eine ganze Schüssel Topfencreme aber schon.

6. Wird parallel noch gestillt?

Ja, es wird weiterhin nach Bedarf des Kindes gestillt. Die WHO empfiehlt ein Weiterstillen bis zum Alter von 2 Jahren und darüber hinaus – so wie Mutter und Kind das wünschen.

7. Gibt es parallel flüssige Nahrung wie Brei dazu?

Anders als oft angenommen, ist Püriertes bei Baby-led Weaning nicht verboten – wir haben ja auch in der Familienkost Dinge wie (Creme-)Suppen, Saucen, Dips, Joghurt, Kartoffelpüree etc. Kinder können diese Gerichte dippen oder auch aus einem Becher trinken (anfänglich mit etwas Hilfe natürlich).
Ab Beikosteinführung wird Wasser zum Trinken zu den Mahlzeiten angeboten, am besten im offenen Becher, der einen kleinen Durchmesser hat. Ein Schnapsglas eignet sich für den Beginn hervorragend. Leitungswasser in Österreich ist geeignet und muss ab Beikostreife nicht mehr abgekocht werden. Von Flaschen oder Trink(lern)bechern, aus denen gesaugt werden muss, wird abgeraten. Dies könnte das Saugverhalten an der Brust verändern und zu Schmerzen und ineffektivem Stillen führen.

8. Soll man Baby-led Weaning zu jeder Mahlzeit (Frühstück, Mittagessen, Abendessen) machen?

Immer, wenn Mama/Papa isst, darf auch das Baby mitessen. Das werden anfangs die drei Hauptmahlzeiten sein, aber auch eine Vormittags- und Nachmittagsjause darf mit dazu. Das Kind entscheidet selbst, ob und wieviel es von den angebotenen Lebensmitteln isst. Besonders wichtig finde ich das gemeinsame Essen. Also nicht erst das Kind „abzufüttern“, und dann essen die Erwachsenen allein für sich, sondern das gemütliche Beisammensein am Familientisch, ohne Hektik und Ablenkungen, ohne kritisches Bewerten der Menge, die gegessen wird oder der Art und Weise – all das trägt dazu bei, dass die Kinder das Essen am Familientisch als etwas freudvolles, angenehmes empfinden und dieses Gefühl auch ins Erwachsenenleben mitnehmen.

9. Muss man hier etwas bei der Verdauung des Babys beachten?

Wenn das Baby beikostreif ist; es die Beikostmengen nach seinem Tempo steigern darf und nicht gedrängt sowie weiterhin nach Bedarf gestillt wird bzw. Pre-Nahrung bekommt (d.h. die Milchnahrung nicht von Elternseite eingeschränkt wird), sind generell keine Verdauungsprobleme zu erwarten. Individuelle Unverträglichkeiten sind möglich, aber sehr selten.

10. Wie kann man sichergehen, dass der Nährstoffbedarf des Babys bei Baby-led Weaning abgedeckt ist?

Ein vielfältiges Angebot inkl. Fisch, Fleisch, Gemüse, Obst und Kohlehydraten ist die beste Voraussetzung dafür. Am besten nimmt man die Mahlzeiten gemeinsam mit dem Kind ein und isst auch die gleichen Lebensmittel – denn die Kinder lernen von uns als ihre Vorbilder. Die Beikost sollte – egal ob BWL oder Brei – eine ausreichende Kaloriendichte haben. Nur Gemüsesticks über Wochen anbieten ist genauso unzureichend wie ausschließlich Gemüsebrei zu reichen. Ab Beikostreife gibt es keine Vorgaben mehr über die Reihenfolge der Einführung der Lebensmittel – das ist veraltet. Ein Hinauszögern eines Lebensmittels ist nicht sinnvoll – auch nicht Allergene wie glutenhaltiges Getreide, Ei, Fisch oder Kuhmilch. Kleine Mengen ab Beikostreife schützen sogar davor, später eine Allergie zu entwickeln. Wichtig ist es, auf ausreichende Ölzugabe zu achten: 1–2 TL auf 100g, hochwertige kaltgepresste Öle wie z. B. Lein-, Raps- oder Olivenöl. Empfehlenswert ist es, wie oben bereits erwähnt, Vitamin-C-haltige Lebensmittel mit eisenhaltigen zu kombinieren – das verbessert die Eisenaufnahme. Kuhmilch sollte hingegen nicht gleichzeitig mit eisenhaltigen Lebensmittel gereicht werden, denn diese hemmt die Eisenaufnahme (im Gegensatz übrigens zu Muttermilch – diese fördert die Aufnahme!).
Ein echter Eisenmangel, wie er z. B. häufig bei ehem. Frühchen besteht, muss übrigens supplementiert werden und kann nicht durch die Beikost aufgefangen werden.

Wichtig: Alle Ausführungen im Interview mit Mag. Doris Kubicka gehen von einem gesunden Kind aus – bei Kindern mit Vorerkrankungen, motorischen Einschränkungen oder Entwicklungsverzögerungen ist die Vorgangsweise immer individuell mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt zu besprechen.

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