Einen Coach, das brauchen heute nicht mehr nur Sportler oder Managerinnen, nein, auch uns Normalos wird beigebracht, wie wir erfolgreich aufräumen (Marie Kondo, anyone?), flirten oder was als attraktiv gilt. Ist es nicht langsam genug mit dem Coaching-Trend?

Coaches: Was machen die überhaupt?

Karriere-Coaching hier, Mentaltraining da: Der Markt für selbsternannte Lebensberaterinnen und -begleiter boomt. Gefühlt kennt jeder jemanden, der (meist nebenberuflich) als Coach tätig ist. Jemanden, der in der Midlife-Crisis draufkommt, lieber doch „etwas mit Menschen“ zu machen, statt Excel-Tabellen zu bearbeiten. Den nach einem Selbstfindungswochenende mit Klangschalen-Schwerpunkt die Erkenntnis trifft: Das will ich auch – Menschen bei ihren Problemen helfen. Grundsätzlich ein hehres Ziel.

Doch sind dafür ein NLP-Quickie, ein Schnupperkurs im systemischen Arbeiten und ein wenig Esoterik zum Drüberstreuen die richtigen Qualifikationen? Das Problem: Der Coaching-Markt ist kaum geregelt. In Deutschland ist „Coach“ kein geschützter Begriff, und wenn in Österreich zumindest gewisse Bereiche der Gewerbeordnung unterliegen, darf dennoch jeder Coaches-Ausbildungen anbieten.

Weg mit dem Schuldbewusstsein!

Das schwammige Berufsbild ist aber längst nicht der einzige Punkt einer Coaching-Kritik. Auch gesellschaftlich sagt der grassierende Coaches-Trend einiges über uns aus: Der Mensch als zu optimierendes Projekt, der ständig an sich selbst arbeiten muss – ist das unser Selbstbild? Die unablässige Nabelschau kann sogar Probleme schaffen, wo gar keine sind.

Wer wird bei dem Überangebot an Coaches für jede Lebenslage nicht ein wenig nervös? Kann doch gar nicht sein, dass bei einem selbst einfach alles rund läuft, während sich der halbe Bekanntenkreis und die so perfekt wirkende Kollegin coachen lassen! Oder?! Gerade bei sensiblen Menschen ist diese aufgezwungene Selbstbeobachtung aber ungefähr so hilfreich, als würde man einem Hypochonder ein Medizin-Lexikon in die Hand drücken.

Nichts gegen professionelle Hilfe, aber …

Um eines klarzustellen: Es ist gut, dass es gesellschaftlich immer weniger stigmatisiert wird, wenn man sich bei Problemen professionelle Hilfe holt. Aber warum braucht auf einmal jeder einen Coach, um seinen Alltag zu bewältigen?

Immerhin gibt es einen Unterschied zwischen echten Krisen und den Hürden und Aufgaben, die das Leben als Erwachsener mit sich bringt. Ist unsere Frustrationsgrenze schon so weit gesunken, dass wir beim leisesten Anflug von Schwierigkeiten jemanden brauchen, der uns an die Hand nimmt? Sind wir nicht mehr zur Selbstreflexion ohne Anleitung fähig?

Ade, Coaches: Löst eure Probleme doch selbst!

Klar, sich ein Coaching zu gönnen, vermittelt erst mal ein gutes Gefühl. Doch was wird aus der Verheißung „Nun wird alles besser!“, wenn der Coach seine Flipcharts und Rollenspiel-Regiekärtchen wieder weggepackt hat? Eine Powerpoint-Präsentation mit motivierenden Kalenderblattsprüchen und Aufrufen zu „Wer bin ich-Botschaften“ kann wohl kaum das Betriebsklima oder gar die Lebensplanung retten. Sie selbst aber können das sehr wohl!

Darum: mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben. Und in die Ihrer Mitmenschen. Viele Probleme erscheinen nach einem Gespräch mit Freunden (und mehreren Gläsern Wein) nämlich nur mehr halb so tragisch. Oft reicht es, in Durchhänger-Phasen die Zähne zusammenzubeißen, anstatt vor lauter Torschlusspanik das halbe Leben umkrempeln zu wollen. Denn ja, manche Probleme lösen sich einfach von selbst. Und das gilt hoffentlich auch für den Coaching-Wahn …