Diabetes – die oft verkannte Gefahr
Dass rund jede und jeder Zehnte (!) in Österreich Diabetes hat, ist erschreckend. Zum Glück kann man eine Menge dagegen tun – und nebenher gut für sich selber sorgen. Außerdem: Warum das für Frauen besonders wichtig ist.
Würde man in ein Flugzeug steigen, das mit einer zehnprozentigen Chance abstürzt? Vermutlich nicht. Erstaunlich, dass man dann nicht ähnlich entschieden handelt, um einem (ebenso wahrscheinlichen) Diabetes zu entgehen. Ausblenden heißt da offenbar unsere Devise, „Wird mich schon nicht treffen“ das Motto. Sicher, Freude macht es nicht unbedingt, über amputierte Füße zu lesen, über Herz-, Augen-, Nieren-, Nerven- und Knochenschäden, über Depressionen, Angst- und Essstörungen, Erektionsprobleme und Blasenschwäche. Aber wer sich diesen Folgeerkrankungen des Diabetes stellt und sich dann klarmacht, dass man dagegen ganz viel unternehmen kann, der ist auf einem sehr, sehr guten Weg.
Was genau ist überhaupt Diabetes?
Beim Diabetes mellitus („honigsüßer Durchfluss“) unterscheidet man in angeborenen Diabetes (auch Typ 1 genannt), eine Autoimmunerkrankung, die nur rund fünf Prozent aller Diabetes-Fälle ausmacht, und den Typ-2-Diabetes. Letzterer sorgt mit rund 90 Prozent für die große Mehrheit an Fällen und um ihn soll es in diesem Report gehen. Bei dieser Stoffwechselstörung ist der Körper nicht mehr in der Lage, den Blutzuckerlevel zu regulieren. Normalerweise steigt nach dem Essen der Blutzucker an und das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Insulin sorgt dafür, dass die Zellen sich öffnen, den Zucker aufnehmen und ihn abbauen – die Kurve fällt wieder. Diese Regelung des Blutzuckerspiegels ist elementar wichtig, damit der Körper funktioniert. Je mehr Übergewicht (und Bauchfett) wir aber haben, umso unempfindlicher reagiert unser Körper auf Insulin. Dazu kommt: Wenn wir uns immer weniger bewegen, reagieren unsere Muskelzellen ebenfalls immer weniger auf das Insulin, auch Insulinresistenz genannt. Die Nieren versuchen derweil, den zu hohen Blutzucker auszuspülen, denn er schadet den Nerven, den Blutgefäßen, den Organen – das ist aber nur Nebeneffekt, keine Lösung.
Was macht die Krankheit so gefährlich?
Das wirklich Tückische ist der Undercover-Start: Denn erst mal verursacht Diabetes weder Schmerzen noch wird er irgendwie spürbar, schädigt aber schon die wichtigsten Organe. Beeinträchtigungen etwa an den kleinen und großen Blutgefäßen, den Nerven und/oder den Augen zeigen sich frühestens fünf Jahre nach Beginn der Erkrankung. Die Spätfolgen sind gravierende Krankheiten, die bis zum Tod führen können.
Wie entsteht Diabetes eigentlich?
Im Gegensatz zu Diabetes 1 handelt es sich beim Typ 2 um eine teilweise „erworbene“ Krankheit, das heißt, der Lebensstil trägt einiges dazu bei. Mangelnde Bewegung und eine zucker- und fettintensive Ernährung mit zu vielen Kalorien verursachen Übergewicht. Und der Anteil der Übergewichtigen in der Bevölkerung ist inzwischen enorm: In Österreich sind es 51,1 Prozent (Zahlen von 2021), in Ungarn und Tschechien über 58 Prozent, in Kroatien 63,8 Prozent und in Rumänien sogar knapp 67 Prozent. Dazu kommen weitere Risikofaktoren wie erhöhter Blutdruck, veränderte Cholesterinwerte, eine Fettleber, höheres Alter, Rauchen, Alkoholkonsum, Depression, Stress. Und dann gibt es noch rein genetische Risiken: Nahe Verwandte mit Diabetes und/oder eine asiatische, afrikanische oder lateinamerikanische Herkunft erhöhen die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken. Bei Frauen kommen noch Risikofaktoren wie ein vorangegangener Schwangerschaftsdiabetes oder ein polyzystisches Ovarialsyndrom hinzu.
Wie behandelt man Diabetes?
Es liegt quasi auf der Hand: Bekämpft man die vom Lebensstil abhängigen Risikofaktoren, drängt man auch die Krankheit zurück. Das ist nicht easy und dauert, kann aber extrem positive Auswirkungen haben. Hat man z.B. schon Prädiabetes (unter dem Begriff fasst man verschiedene Vorstadien des Diabetes mellitus zusammen) und stellt seinen Lebensstil um, kann die Krankheit in einem Teil der Fälle komplett in Remission gehen, wie ein Team am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung in Tübingen herausfand. Das bedeutet, sie ist nicht mehr nachweisbar. Auch viele Menschen mit Diabetes-Diagnose können die Krankheit so zurückdrängen. Es lohnt sich z.B. bei Übergewicht, seine Gewohnheiten massiv umzustellen. Ziel ist es, rund sieben Prozent des Gewichts abzunehmen, besser zehn bis 15 Prozent, und zwar bis zu einem BMI unter 25. Das funktioniert, indem man seine Ernährung ändert: Von einer zucker- und fettlastigen auf eine gesunde Mischkost mit viel Ballaststoffen und gesunden Fetten, also viel Gemüse, Obst, Vollkorn, Hülsenfrüchte, Nüsse, Raps- und Olivenöl. Die Biochemikerin Jessica Inchauspé zeigt auf Instagram als „Glucose Goddess“ sehr anschaulich, wie sich welche Lebensmittel auf den Blutzucker (und auf den Heißhunger) auswirken, ihre Tipps gibt es auch als Buch. Zum Thema Sport: Empfohlen werden pro Woche 150 Minuten mit mäßiger Intensität (zügiges Gehen, Nordic Walking, Wandern, Wassergymnastik, Tanzen ...) oder 75 Minuten mit hoher Intensität (z. B. Joggen, Skilanglauf, Bergwandern ...) plus zwei Einheiten Krafttraining. Auch blutzuckersenkende Medikamente, die sogenannten oralen Antidiabetika oder Glukosesenker, können nötig werden. Hilft das nicht mehr, spritzt man Insulin.
Was sollten junge Frauen außerdem wissen?
Erschreckende 15 Prozent aller Schwangeren erkranken an einem Schwangerschaftsdiabetes – was diverse Gefahren für Mutter und Kind birgt (unter anderem hat das Kind ein höheres Risiko, später selbst übergewichtig zu werden und an Diabetes zu erkranken). Eine Lebensstil-Umstellung schon in der Schwangerschaft und danach sowie eine Stillphase von mindestens drei Monaten wirken sich positiv aus. Wer an einem Schwangerschaftsdiabetes erkrankt ist, hat ein siebenmal so hohes Risiko, später Diabetes zu bekommen. Dass es sich lohnt, rechtzeitig Unterstützung zu suchen, zeigen Studien: So profitieren Frauen stärker als Männer von langfristigen Diabetes-Schulungen und von personalisierter Diabetes-Therapie.
Warum ist Bauchfett so gefährlich?
Diese Einlagerungen können chronische Entzündungen in Gang setzen und erhöhen neben dem Diabetes-Risiko auch das für Herzkrankheiten und schwere Covid-Verläufe. Also bitte einmal messen: Ab einem Bauch-/Taillenumfang von 80 Zentimetern sollten Frauen sich ärztlich checken lassen (Männer ab 94 Zentimetern). Es mag ernüchternd sein, wenn die eigenen Maße noch höher liegen, aber immerhin ist dieser Hinweis klar und greifbar. Und motiviert garantiert, gleich mal ein paar Dinge ganz entschieden anzupacken.
Diese Warnzeichen für Diabetes werden leicht übersehen:
Diabetes schleicht sich unauffällig ins Leben. Augen auf bei folgenden Warnzeichen:
- dem Gefühl von Müdigkeit und Schwäche
- vermehrtem Durstgefühl
- ständigem Harndrang, häufigem Wasserlassen
- Leistungsschwäche (seit Kurzem fällt alles viel schwerer, man braucht länger für ganz normale Tätigkeiten)
- erhöhter Anfälligkeit für Infektionen (z.B. Pilz im Genitalbereich, Harnwegsinfekte)
- Wundheilungsstörungen
Einzeln betrachtet sind diese Phänomene so normal, dass fast niemand darauf kommt, ihnen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Treten mehrere davon gleichzeitig auf, sollte man wachsam werden und lieber einmal zu oft als zu selten mit der Ärztin/dem Arzt des Vertrauens darüber reden und sie oder ihn direkt auf die Möglichkeit eines (Prä-)Diabetes ansprechen. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche! Außerdem sollte man auch als gesunder Mensch ab 35 alle drei Jahre ein Screening machen, sich gesund ernähren und genug bewegen.
Weiterführende Buchtipps zum Thema Diabetes
Diabetes: Vorsorgen, rechtzeitig erkennen und richtig behandeln
Alexandra Kautzky-Willer, Yvonne Winhofer
Verlag: MANZ
Blutzuckerwerte verstehen – Diabetes heilen
Schutz und Neustart für die Bauchspeicheldrüse mit 5-Wochen-Plan
Andrea Flemmer
Verlag: Goldegg