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Faszien: Ihre Rolle für die Gesundheit und wie wir sie trainieren
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Bindegewebe in Form

Faszien: Ihre Rolle für die Gesundheit und wie wir sie trainieren

Faszien wurden lange Zeit unterschätzt. Dabei hat das Bindegewebe einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit – unter anderem hängt es mit dem Immunsystem zusammen. Wie wir unsere Faszien trainieren können und welche Faszienrolle die richtige ist, erklärt die Physiotherapeutin Beatrix Baumgartner.
Beatrix Baumgartner ist Physiotherapeutin und Osteopathin und hat sich auf das „Faszien-Distorsions-Modell“ (FDM) spezialisiert. Mit dem Fascia Center Vienna hat sie ein eigenes Faszien-Kompetenzzentrum für Gesundheitsprofis aufgebaut.

Was sind Muskeln und Faszien?

Eines gleich vorweg: Faszien sind ohne Muskeln nicht denkbar und umgekehrt. „Wir sprechen von einem Muskel-Faszie-System, auch myofasziales System genannt“, erklärt die Expertin Beatrix Baumgartner. „Ohne Faszie würde der Muskel einfach auseinanderrinnen, wir würden aussehen wie diese bunten Barbapapa-Figuren aus der Zeichentrickserie.“

Im Grunde ist Faszie nur ein anderer Begriff für das Bindegewebe. Dieses gibt dem Körper Form und sorgt dafür, dass die Organe an ihrem richtigen Platz bleiben. „Man kann sich das Ganze vorstellen wie einen 3D-Taucheranzug von Kopf bis Fuß, der unseren Körper umhüllt und durchdringt“, so Baumgartner. Und weil das Gewebe so untrennbar miteinander verbunden ist, spricht etwa der berühmte Faszienforscher Dr. Robert Schleip aus Ulm nicht von den Faszien in der Mehrzahl, sondern von einer einzigen Faszie.


Welche Rolle spielen Faszien für die Gesundheit?

Die Bedeutung der Faszien wurde lange Zeit unterschätzt. Die Wissenschaft ging davon aus, das Bindegewebe sei eine Art Verpackungsmaterial für den Körper. Erst in den vergangenen zehn Jahren hat die Erforschung der Faszien so richtig Fahrt aufgenommen, und man erkannte nach und nach ihre wichtigen Funktionen für den Körper. „Es ist ein faszinierendes, komplexes Gesamtsystem. Je besser wir unser Bindegewebe pflegen, umso besser der Gesamtzustand unseres Körpers“, fasst die Expertin zusammen.


Faszien und der Bewegungsapparat

Je nachdem, an welcher Körperstelle sich die Faszie befindet und welche Anforderungen dort an sie gestellt werden, hat die Faszie eine andere Form, ist fester oder weicher.

Die tiefe Faszie umschließt und durchdringt Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen, Gelenke, Nervenbahnen und Blutgefäße. Sie hat mehrere Funktionen: Sie gibt unserem Körper Haltung, ist wichtig für die Kraftübertragung aus dem Muskel und dient als Stoßdämpfer. „Außerdem hat die Faszie Einfluss auf den Knochenstoffwechsel“, erklärt die Physiotherapeutin. Besonders für Frauen ist dieser Aspekt wichtig, denn sie haben ein höheres Risiko als Männer, an Osteoporose zu erkranken.


Faszien als Sinnesorgan

Die oberflächliche Faszie ist unmittelbar unter der Haut und dient der Körperwahrnehmung. Denn hier befinden sich viele sensorische Nervenenden. „Die Faszie ist also auch ein wichtiges Sinnesorgan, es ist unser sechster Sinn: Wir spüren dadurch Druck, Schmerz, Spannung, Temperatur“, so die Expertin. Auch viele hormonelle Vorgänge finden in den Faszien statt, ebenso sitzt hier das Immunsystem.

Baumgartner verweist in diesem Zusammenhang auf die Forschungsergebnisse von Helen Langevin, die seit vielen Jahren den Zusammenhang von Faszien und Krebs untersucht: „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich der Krebs in einem starren Bindegewebe leichter festsetzen und ausbreiten kann als in flexiblem Bindegewebe.“
Lesen Sie hier, was typische Symptome für Brustkrebs bei Frauen sind.

Faszien und Psyche

Hinzu kommt, dass unsere Emotionen ganz eng mit der Faszie verbunden sind. „In der Faszie befinden sich sogenannte sympathische Fasern. Die Faszie kann also Emotionen speichern, sie ist unser Körpergedächtnis“, erläutert Baumgartner. Sie nennt ein Beispiel aus der Praxis: Hat ein Mensch eine Missbrauchserfahrung gemacht, ist sein Risiko für spätere Rückenprobleme deutlich erhöht.

Emotionaler und psychischer Stress hinterlässt Spuren im Gewebe durch Spannung und Hormone. „Auch unsere Körperhaltung hat einen Einfluss: Sind wir in uns zusammengesunken, schüttet der Körper schon nach wenigen Minuten das Stresshormon Cortisol aus“, erläutert Baumgartner. Das Hormon versetzt den Körper in Alarmbereitschaft und bereitet ihn auf Flucht oder Kampf vor. Wird diese Energie nicht abgebaut – etwa durch eine kleine Bewegungseinheit – verbleibt die Anspannung im Körper. „Nehmen wir eine ‚power posture‘, eine aufrechte Körperhaltung ein, schüttet unser Körper Testosteron aus. Wir fühlen uns stark“, erklärt die Expertin.


Woran kann man Probleme mit den Faszien erkennen?

Viele Symptome können auf Probleme mit den Faszien hinweisen. Diese reichen von Bewegungseinschränkungen, Verspannungen und Steifheit bis hin zu einseitigen Abnützungen, Rücken- und Nackenschmerzen. Oft stehen die Bandscheiben im Verdacht, wenn sich Rückenprobleme bemerkbar machen. „Dabei kann oft die Rückenfaszie ‚Fascia Thorakolumbalis‘ als Schmerzquelle in Betracht gezogen werden", betont die Faszien-Expertin. Bei älteren Menschen macht sich der Verlust der Stoßdämpferwirkung der Faszien oft als Erstes durch einen unelastischen, „lauten“ Gang bemerkbar.

Wichtig ist auch zu beachten: Der Schmerz muss im Körper nicht zwingend dort auftreten, wo er seine Ursache hat. „Wir funktionieren nicht in einzelnen Muskeln, sondern in langen Muskel-Faszien-Ketten. Denn wir sind diagonale Lebewesen: Setzen wir den rechten Fuß vor, schwingt der linke Arm mit“, erklärt Baumgartner.


Warum haben viele Menschen Probleme mit den Faszien?

Bis zu einem gewissen Grad sind die Faszien genetisch determiniert. So unterscheidet sich das Bindegewebe bei Frauen und Männern: Das weibliche Hormon Östrogen fördert Fetteinlagerung und weiches Bindegewebe. Zudem sind die Fasern im weiblichen Bindegewebe anders zusammengesetzt als bei Männern, damit es sich bei einer Schwangerschaft und Geburt an die körperlichen Veränderungen anpassen kann. Neben diesen vorgegebenen Bedingungen können wir durch unseren Lebensstil den Zustand unserer Faszien zum Besseren oder zum Schlechteren verändern.


Zu wenig oder zu einseitige Bewegung

Als größten Einflussfaktor nennt Baumgartner die körperliche Unterbelastung. „Wir haben einen Bewegungskörper, aber er wird nicht mehr ‚artgerecht‘ gehalten, weil wir zu viel sitzen und uns zu wenig bewegen“, schildert die Physiotherapeutin. In der Folge beginnt der Körper, sich umzubauen. Nicht beanspruchtes Gewebe wird abgebaut und schwächer.

Auf der anderen Seite besteht das Problem der Überbelastung oder der einseitigen Belastung. „Das betrifft vor allem Sportlerinnen und Sportler, die ihrem Körper zu wenig Regenerationsphasen gönnen. Wirkt derselbe Trainingsreiz zu schnell erneut auf das Gewebe, wird es nicht belastbarer, sondern es verschlechtert sich“, so Baumgartner. Aber auch in vielen Berufen werden oft stundenlang gewisse Zwangshaltungen eingenommen, die zu Überbelastungen führen können. „Hier ist zielgerichtetes Training nötig, um die erforderliche körperliche Belastbarkeit zu erlangen“, so die Expertin.


Zu viel Stress und einseitige Ernährung

Auch Stress und Ernährung haben einen großen Einfluss auf den Zustand des Bindegewebes. „Beides verändert die hormonelle Zusammensetzung im Körper und kann sogenannte ‚stille Entzündungen‘ triggern“, erklärt die Expertin.

Die Wahrscheinlichkeit, dass stille Entzündungen entstehen, erhöht sich durch ein Ungleichgewicht von Omega-3 und Omega-6. Das kann Autoimmunerkrankungen, rheumatische Erkrankungen und Herzkreislauferkrankungen zur Folge haben. Durch industriell hergestellte Lebensmittel ist die Ernährung oft zu Omega-6-lastig. Algen und Fisch liefern wertvolle Omega-3-Fettsäuren. (Um das Verhältnis der entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren und der entzündungsfördernden Omega-6-Fettsäuren zu überprüfen, kann man den Fettsäurestatus durch eine Blutanalyse erheben lassen.) Auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist für das Bindegewebe wichtig. Während Babys noch einen Wassergehalt von 80 Prozent im Körper haben, verringert sich dieser Wassergehalt mit zunehmendem Alter auf bis zu 50 Prozent.


Wie „verkleben“ Faszien?

Oft ist die Rede davon, dass Faszien „verkleben“. Doch genau genommen ist dieser Begriff nicht korrekt. „In der älteren Generation gibt es noch diesen Ausdruck: ‚Ich bin schon ganz verfilzt.‘ Das beschreibt den Zustand der pathologischen Faszie ziemlich genau“, erläutert Baumgartner.

Die wichtigste Aussage lautet: In Bewegung bleiben, damit die Faszien geschmeidig bleiben! Denn ohne den Bewegungsreiz werden die Zellen nicht ausreichend mit Gewebsflüssigkeit versorgt, bilden kein elastisches Bindegewebe nach und im schlimmsten Fall können sich Gewebeschichten miteinander verbinden, die nicht zusammengehören.


Verfilzte, nicht verklebte Faszien

Um diese Vorgänge zu verstehen, muss man tiefer in den Aufbau der Faszien eintauchen: Die den Muskel umhüllende Faszie hat eine scherengitterartige Struktur, ähnlich den Kunststoffnetzen, mit denen exotische Früchte oft vor Druckstellen geschützt werden sollen. In jedem dieser Gitter ist eine kleine Welle eingebaut, der sogenannte „crimp“. „Wer sich zu wenig bewegt, verliert als Erstes diesen ‚crimp‘. Langfristig kann auch das Scherengitter seine Form nicht beibehalten – es verfilzt im wörtlichen Sinn“, führt die Physiotherapeutin aus.


Gestörtes Gleitverhalten der Gewebeschichten

Auch auf Ebene der Zellen im Bindegewebe passieren Vorgänge, die zur Folge haben, dass die verschiedenen Gewebeschichten nicht mehr gut aneinander gleiten.

Die Faszie besteht aus verschiedenen Zellen: Die Fibroblasten sind für die Reparatur von Gewebe zuständig. Andere Zellen wiederum produzieren die Flüssigkeit im Gewebe – allerdings nur dann, wenn Zug- und Scherkräfte auf das Gewebe wirken. „Wer sich zu wenig bewegt, produziert weniger Flüssigkeit und wird noch starrer“, beschreibt Baumgartner den Teufelskreis.

Dann gibt es die Zellumgebung, die sogenannte extrazelluläre Matrix. Sie besteht aus den Fasern Kollagen und Elastin. Unter dem Mikroskop betrachtet, erinnert Kollagen an ein Seil, das auf Zugbelastung ausgelegt ist. „Die Faszie liebt Zugbewegung. Damit das Gewebe nach Verletzungen wieder elastisch wird, muss es Bewegungsreize geben. Fehlt dieser Reiz, wird das Gewebe minderwertiger und noch anfälliger für Verletzungen“, erklärt die Expertin.

Neben den Fasern befindet sich eine gelartige Grundsubstanz. Sie wirkt wie ein Gleitmittel, damit die verschiedenen Schichten gut aneinander gleiten können. „Dieses Gleitmittel kann sich verändern – wie Honig, der fest wird. Das nennt sich Densifikation“, so die Expertin. Mit Faszientraining zu Hause, etwa mit einer Faszienrolle, kann man dieses Problem meist wieder selbst in den Griff bekommen.

Hingegen gehören die sogenannten „Crosslinks“ in die Hände von Profis. „Hier verbindet sich Gewebe, das nicht zusammengehört. Das ist, als würde man das T-Shirt und den darüber getragenen Pullover zusammennähen. Crosslinks schränken die Beweglichkeit sehr stark ein“, schildert Baumgartner.


Wie werden verfilzte Faszien wieder geschmeidig?

Es gibt verschiedene Behandlungsmodelle für Probleme mit den Faszien. Baumgartner praktiziert nach dem Faszien-Distorsions-Modell (FDM) nach dem US-amerikanischen Osteopathen Stephen Typaldos. Dieses Modell geht davon aus, dass Verdrehungen, Verformungen und Verrenkungen im Bindegewebe zu körperlichen Beschwerden führen.

„Die Patientinnen und Patienten beschreiben diese Beschwerden als ziehenden, drückenden oder punktuellen Schmerz und entsprechend ziehen oder drücken sie an ihrem Körper herum. Das sind rudimentäre Ansätze zur Selbstheilung, mit der beim FDM gearbeitet wird“, erklärt Baumgartner. „Wir interpretieren die Schmerzgestik der Patientinnen und Patienten und setzen das in der Behandlung um.“

Faszientraining basiert auf vier Säulen (nach dem Faszienforscher Robert Schleip):


Elastizität

Bewegung ist das A und O für geschmeidige Faszien. „Laufen ist eine Bewegung, die die Faszien trainiert. Wer nicht laufen kann, sollte möglichst zügig gehen und die Arme mitschwingen lassen“, empfiehlt Baumgartner. Auch leichte Sprünge oder Seilspringen sind Übungen, die sich unkompliziert in den Alltag einbauen lassen. „Aber bitte nur so lange, wie es sich leicht und locker anfühlt!“

Außerdem lieben Faszien Zugbewegungen. „Unser Schultergürtel ist dafür gemacht, dass wir schwingen und hängen“, betont Baumgartner. Crossfit, Klettern und Calisthenics sind dafür gut geeignet. Wer sich keine eigene Klimmzugstange in der Wohnung montieren möchte, kann sich auch an die Kletterstange am Spielplatz hängen. Aber im Grunde ist für Faszientraining keine besondere Ausstattung notwendig. Auch Treppen, Sitzbänke oder Stöcke können zum Trainingsgerät umfunktioniert werden. Viele Anregungen und Tipps dazu gibt die Physiotherapeutin Beatrix Baumgartner beispielsweise in ihrem Buch „Faszientraining Outdoor“.


Dehnen

Bei Dehnübungen ist es wichtig, den ganzen Körper einzubeziehen und die langen Muskel-Faszien-Ketten zu dehnen. Allerdings erklärt die Expertin: „Ein bisschen mit dem Thera-Band zu dehnen, ist nicht ausreichend. Das Gewebe braucht schon einen kräftigeren Reiz, sonst passiert keine Veränderung!“


Selbstwahrnehmung

Hier geht es darum, den Körper wahrzunehmen und zu beobachten. „Nicht alles gleich bewerten, sondern einen respektvollen Umgang mit sich selbst finden“, sagt Baumgartner. Das eigene Körpergefühl ist eine wertvolle Ressource. Um die eigenen Sinne zu schärfen und empfindsamer zu machen, ist es bei dieser Säule wichtig, dem Bindegewebe durch Faszientraining Reize anzubieten. „Wenn man mit der Faszienrolle über das Gewebe rollt, kann man eine Landkarte für seinen Körper entwickeln: Wie fühlt sich das hier an? Ist das Gewebe geschmeidig oder gibt es Verhärtungen?“, erklärt die Expertin.


Rehydration des Gewebes

Um das Bindegewebe geschmeidig zu halten, ist es wichtig, dass es mit ausreichend Feuchtigkeit versorgt ist. Das funktioniert mittels Faszienrolle, Flossing oder Wärmebehandlungen.

„Mit der Faszienrolle drückt man, sehr bildlich gesprochen, das alte, verbrauchte Gewebewasser heraus und regt das Bindegewebe an, neues Gewebewasser zu bilden“, erläutert Baumgartner. Ein weiteres Tool zur Selbstanwendung ist das Flossband, das etwas dicker und fester ist als ein Thera-Band. Es wird um die Extremitäten gewickelt, bevor bestimmte Übungen ausgeführt werden. „Es funktioniert nach dem Prinzip: Optimieren durch Komprimieren. Flossing ist noch sehr unbekannt, hat aber großes Potenzial. Ich wende es bei meinen Patientinnen und Patienten gerne nach großen Belastungen wie einem sportlichen Wettbewerb an“, erzählt Baumgartner. Wichtig ist, sich die richtige Anwendungstechnik von einem Profi zeigen zu lassen.

Mit Wärmebehandlungen ist man beim Faszien-Distorsions-Modell eher zurückhaltend. Sie werden nur bei Steifigkeit angewendet. Kurzfristig wirkt Wärme wohltuend, weil die Muskelspannung nachlässt. Langfristig werden laut Baumgartner durch Wärme in Kombination mit Ruhigstellung jedoch Probleme chronifiziert. Denn Wärme wird meist aufgelegt, zum Beispiel in Form von Moorpackungen, und dann befindet sich der Körper in einer Ruheposition. „Die Wärme regt die Zellaktivität an, aber weil wir uns dabei nicht bewegen, verbinden sich die Gewebeschichten nicht richtig miteinander – es bilden sich pathologische Crosslinks, die in die Hände von Profis gehören“, erklärt Baumgartner.


Was sollte man beim Faszientraining beachten?

Auf sein Körpergefühl achten

Eine Faszienbehandlung ist nicht mit einer entspannenden Massage zu vergleichen. „Da wirken schon starke Kräfte und es darf bis zu einem gewissen Grad auch unangenehm sein. Wir nennen das ‚Wohlweh‘. Das bedeutet: Es tut wohl weh, aber man spürt gleichzeitig, dass es wohltuend ist, da es zur Lösung der Beschwerden beiträgt“, erklärt Baumgartner. Auch beim Faszientraining dürfe es zu einem angemessenen Schmerz kommen. Das sei auf einer Skala von 1 bis 10 ungefähr bei einer 4 einzuordnen. Sehr leistungsorientierte Menschen sollten eher bei einer 2 bleiben, eher schmerzempfindliche Menschen dürfen auch mal eine 5 zulassen. Dieser schmale Grat des Schmerzes zwischen Wohltat und Schmerz ist der Grund, warum man weder eine FDM Behandlung noch Faszientraining durchführen darf, solange man Schmerzmittel einnimmt. Die Körperwahrnehmung ist durch die Medikamente beeinträchtigt.

24 Stunden nach einem Faszientraining darf man das Gewebe spüren. Dass sich im Körper etwas tut und die Selbstheilungskräfte aktiviert sind“, erklärt Baumgartner. Alles, was länger andauere, sei ein Anzeichen dafür, dass man seinen Körper zu sehr beansprucht hat. Wenn sich Probleme wie Verspannungen nach einer Woche nicht lösen, sollte laut der Expertin ein Profi konsultiert werden.


Sich ausreichend Pausen gönnen

Solange das Laufen oder Springen locker, elastisch, federnd ist, ist es gut. Dann funktioniert die Energieübertragung und -speicherung gut. Wird man beim Laufen „zu laut“, sollte man unbedingt eine Geh-Pause einlegen. „So bleibt man in Bewegung und das Gewebe kann sich wieder mit Gewebewasser vollsaugen“, erklärt Baumgartner. Auch an die Lebensphase bzw. den körperlichen Ausgangszustand sollte das Faszientraining angepasst sein. Bei älteren Patientinnen oder Patienten beginnt die Physiotherapeutin das Training nicht mit Laufen oder Springen, sondern mit entlastenden Wippbewegungen, und steigert die Intensität allmählich.

Auch zwischen den Trainingseinheiten sollte man seinen Faszien ausreichend Ruhepausen zugestehen. Die Expertin empfiehlt zwei bis drei Tage Pause bis zur nächsten Trainingseinheit. „Optimal gesetzter Trainingsreiz zerstört erst einmal etwas im Gewebe. Wenn wir dem Körper genügend Zeit geben, tritt das Prinzip der Superkompensation in Kraft: Wir werden besser, weil das Gewebe sich besser aufbaut. Wenn wir zu schnell denselben Trainingsreiz erneut setzen, wird das Gewebe nicht belastbarer, sondern es baut ab“, erklärt Baumgartner. Zu viel, zu schnell und in zu knappen Abständen ist daher schlecht für die Faszien.


Nicht zu einseitig trainieren

Jeder Mensch hat eine individuelle Körperspannung, abhängig von der jeweiligen Konstitution. „Viele Männer sind der Typ ‚Wikinger‘: Sie sind eher unbeweglich, dafür stark, machen viel Krafttraining und ziehen sich eher Zerrungen zu“, beschreibt Baumgartner. „Dagegen sind viele Frauen der Typ ‚Kleopatra‘: Sie machen gerne Yoga, sind sehr beweglich, haben dafür aber nicht so viel Kraft.“

Ein guter Mix aus Krafttraining für die Körperkraft und Faszientraining für die Beweglichkeit ist empfehlenswert. Den „Wikingern“ legt die Expertin nahe, hin und wieder gezieltes Faszientraining zu machen, um ihre Geschmeidigkeit zu verbessern. Die „Kleopatras“ seien gut beraten, etwas Krafttraining zu absolvieren. „Wenn man schon sehr beweglich ist und dann noch jeden Tag mit der Faszienrolle arbeitet, dann ist das zu viel des Guten. Dann geht man wortwörtlich ‚aus dem Leim‘“, erklärt die Physiotherapeutin.


Nicht zu früh aufgeben

Wer seine Faszien trainieren möchte, muss vor allem Ausdauer beweisen. Muskeltraining bewirkt schon nach kurzer Zeit körperliche Veränderungen, allerdings schwinden die Muskeln bei Nichtbeanspruchung auch schnell wieder. Bei den Faszien ist es umgekehrt: Es dauert länger, bis Veränderungen der Faszien spürbar sind, dafür halten diese auch länger an. „Die ersten Veränderungen treten nach drei bis sechs Monaten auf, wenn man einmal wöchentlich ein auf Faszien fokussiertes Training absolviert. Nach etwa zwei Jahren hat man ein sehr gut aufgebautes Fasziensystem“, sagt die Expertin. Wobei bei jüngeren Menschen mit einem schnelleren Stoffwechsel die Veränderungen rascher spürbar sind als bei älteren Menschen.


Für wen ist Faszientraining nicht geeignet?

Faszientraining ist für jeden geeignet. „Wir können jederzeit unsere Haltung, unsere Elastizität verbessern, in jedem Alter und in jeder Lebensphase“, weiß die Expertin. Einzige Ausnahme: Man sollte keine Schmerzmittel einnehmen, weil dadurch das eigene Körpergefühl beeinträchtigt ist.


Welche Faszienrolle ist die richtige?

Eine Faszienrolle kann zwar ein nützliches Tool sein, um das Bindegewebe zu pflegen, ist aber kein Muss. Grundsätzlich könne man mit einer Faszienrolle wenig falsch machen, beruhigt die Physiotherapeutin. „Wenn man aber eine intuitive Abneigung gegen die Faszienrolle verspürt, sollte man auf sein Bauchgefühl hören und sie nicht verwenden“, rät Baumgartner.

Wer sich eine Faszienrolle zulegen möchte, sollte bei der Auswahl auf ein paar Dinge achten. „Die meisten Faszienrollen haben einen Durchmesser von zwölf bis 15 Zentimetern und eignen sich für eher groß gewachsene Frauen oder Männer“, erklärt Baumgartner. Zarter gebaute Frauen sollten besser auf eine Rolle mit einem kleineren Durchmesser von acht bis zehn Zentimetern zurückgreifen. Was die Härte anbelangt, empfiehlt die Expertin eine mittlere Härte. Ob die Struktur glatt oder genoppt ist, sei Geschmackssache.

Neben der klassischen Faszienrolle gibt es auch die sogenannten Duo-Bälle. Diese eignen sich besonders, wenn man seine Rückenfaszie pflegen will. „Am besten, man probiert verschiedene Modelle aus. Man spürt automatisch, was einem gut tut“, so die Physiotherapeutin.
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