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Neue Arbeitswelt

Female Working: Wie uns Soft Skills und „weibliche“ Qualitäten nützen

Wie könnte eine Arbeitswelt aussehen, die viel mehr auf Soft Skills setzt? Die das Höher, Besser, Weiter hinter sich lässt und Werte wie Verbindung, Entschleunigung und Achtsamkeit in den Vordergrund rückt? Die Autorin Veronika Fischer verrät in ihrem neuen Buch „Female Working“, wie als „typisch weiblich“ gelabelte Eigenschaften uns allen – Männern wie Frauen – nützen.
Es sind alarmierende Zahlen: Laut einer Studie weisen mehr als 40 Prozent der Erwachsenen in Österreich Anzeichen eines Burnout-Syndroms auf. Einer anderen Studie zufolge outen sich drei von zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als „Quiet Quitter“ – haben also innerlich ihren Job gekündigt. Woran liegt es, dass die heutige Arbeitskultur so viele Menschen krank und unzufrieden macht?

Dieser Frage hat sich die Autorin Veronika Fischer in ihrem neuen Buch „Female Working. Wie wir weibliche Qualitäten als Ressourcen nützen“ gewidmet. Ihre These: Patriarchat und Kapitalismus treiben nicht nur unseren Planeten ans Limit, sondern auch uns Menschen. Sie plädiert für ein Umdenken und fordert dazu auf, unsere „weiblichen“ Eigenschaften und Fähigkeiten einzusetzen – zum Wohle von Frauen und Männern gleichermaßen.

Woran es in unserer Arbeitskultur hakt

Eines der größten Probleme der westlichen Arbeitswelt hat laut Fischer damit zu tun, wie wir Arbeit definieren: Meistens wird darunter nur die bezahlte Erwerbsarbeit gefasst. Allen Menschen, die pflegenden, sozialen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgehen, wird dieses Denken nicht gerecht. Denn auch sie verrichten gesellschaftlich wertvolle, jedoch unbezahlte Care-Arbeit. Insbesondere davon betroffen sind Familien, die sich zwischen Beruf und Kinderbetreuung aufreiben.

Aber: „Auch Personen, die keine Kids haben, kennen den struggle und das Gefühl der knappen Zeit. Unter Organisations-, Zeit- und Vereinbarkeitsdruck steht man auch in anderen Kontexten“, schreibt die Autorin. Als eine der Ursachen nennt sie die Digitalisierung und Technologisierung. Ursprünglich sollten diese zur Reduzierung der Arbeitszeit und zu Entlastung beitragen. Tatsächlich haben sie aber zu einer enormen Beschleunigung von Arbeitsprozessen geführt. Immer mehr muss in immer kürzerer Zeit erledigt und abgearbeitet werden. Kein Wunder, dass das langfristig in die Erschöpfung oder innere Kündigung führt.

Dazu kommt noch der gesellschaftliche Anspruch, die anderen Lebensbereiche dem Berufsleben unterzuordnen. Und nicht wenige Menschen tappen in die Falle der Selbstoptimierung und Selbstausbeutung. „Im Patriarchat wurde es normalisiert, die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren und zu bekämpfen“, erklärt die Autorin. „So, wie wir Raubbau an unserem Planeten betreiben, so behandeln wir auch unsere eigenen Körper – und hier dürfen wir jetzt die Handbremse ziehen.“

Warum Soft Skills und „weibliche“ Qualitäten uns allen nützen

Die Autorin plädiert dafür, dass eine neue Arbeitskultur etabliert wird. Eine Arbeitskultur, die auf Eigenschaften und Qualitäten basiert, die gesellschaftlich seit Jahrhunderten als „typisch weiblich“ bezeichnet werden – die aber unabhängig vom biologischen oder sozialen Geschlecht in unterschiedlicher Ausprägung zu jeder Person gehören. „Die Eigenschaften, die wir als weiblich begreifen, brauchen mehr Wertschätzung und eine Gültigkeit auch in der Arbeitswelt“, fordert Fischer.

Das im Patriarchat und im Kapitalismus als Norm geltende Konkurrenzdenken, das Prinzip des Höher, Schneller, Weiter, das Hinarbeiten auf ein bestimmtes Jahresgehalt oder eine verlockende Prämie sind laut Fischer nicht mehr zeitgemäß. Die neue Arbeitswelt, welche die Autorin in „Female Working“ visioniert, setzt nicht auf finanzielle Anreize, sondern auf Werte wie Verbundenheit und Sinnhaftigkeit: „Das Ziel von Arbeit bewegt sich dann nicht weiter in die Höhe, sondern in die Tiefe und Weite.“ Eine solche Arbeitskultur sieht sie als heilsam an, als Prävention gegen Erschöpfung und Burnout. Der Beruf werde wieder zu einer Quelle für mehr Lebensfreude und Kreativität.

Und das nützt nicht nur Frauen und Menschen, die sich als Frau identifizieren, sondern allen, die Teil unserer Gesellschaft sind. Denn was vielen nicht bewusst ist: Auch Männer sind Verlierer des Patriarchats. „Das patriarchale System bringt auf beiden Seiten Verluste hervor und schadet geschlechterübergreifend“, stellt Fischer klar.

Wie könnte Female Working aussehen?

Wie könnte so eine Arbeitswelt, so eine Gesellschaft aussehen, die sich stärker als in der Vergangenheit nach „weiblichen“ Prinzipien ausrichtet? Einfach den Spieß umzudrehen, ein Matriarchat zu errichten und alles bisher Gültige abzuwerten – das ist jedenfalls nicht im Sinne der Autorin. Es geht ihr vor allem darum, eine Balance herzustellen und Weibliches sowie Männliches in Einklang zu bringen, vergleichbar mit Yin und Yang.

Und es gibt sie bereits, die Vorreiterinnen und Vorreiter, die „Female Working“ schon jetzt in die Tat umsetzen und in ihre Lebensweise integriert haben. „Die neuen Generationen machen erste Schritte in eine andere Richtung, indem sie weniger und achtsamer arbeiten“, schreibt Fischer. Doch die sogenannte Generation Z sieht sich auch mit vielen Vorurteilen und Stereotypen konfrontiert. Sie gilt als arbeitsscheu, faul und zu anspruchsvoll – auch wenn diese Klischees wissenschaftlich widerlegt wurden (etwa durch eine Untersuchung des Instituts für Wirtschaftssoziologie an der Universität Wien und eine Studie des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung).

In Teilzeit statt in Vollzeit arbeiten, einem Beruf nachgehen, der weniger Einkommen, dafür mehr Zufriedenheit bringt – das ist in manchen Lebenssituationen schwer umzusetzen. Etwa, wenn man eine Familie ernähren oder einen Kredit zurückzahlen muss. Aber auch hier ermutigt Fischer dazu, über Veränderungen nachzudenken und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten kleine Entwicklungsschritte hin zu mehr „Female Working“ zu machen. Denn außer einer Reduktion der Arbeitszeit oder des In-Kauf-Nehmens eines geringeren Gehalts gibt es noch mehr Stellschrauben, an denen man drehen kann.

Achtsamkeit statt Selbstausbeutung

Es gibt in vielen Jobs die Erwartungshaltung, dass eine konstante Leistung erbracht wird – einen ganzen Arbeitstag und eine ganze Arbeitswoche lang. Um diesem Ideal zu entsprechen, gehen viele Menschen über ihre Grenzen. „Die Symptome kennen wir alle: ein verspannter Nacken, Rückenschmerzen, Verdauungsschwierigkeiten, PMS, Migräne, Schmerzattacken, Hautprobleme etc.“, verdeutlicht Fischer.

Eine kurze Pause machen, wenn man müde wird, etwas essen oder trinken, wenn man das Bedürfnis danach hat, oder nicht acht Stunden am Stück am Schreibtisch zu sitzen, sondern zwischendurch aufzustehen und sich zu bewegen – das alles ist extrem wichtig. „Pausen und Ruhezeiten sind kein Zeichen von Schwäche, Arbeitsverweigerung oder Unwillen, sondern gehören zu einem normalen Arbeitsalltag mit dazu“, betont die Autorin.

Doch für manche ist es schwierig, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Sie haben es verlernt, auf Körpersignale zu achten. Auch der Konsum von Alkohol oder Koffein verändert die Körperwahrnehmung. Fischer rät daher, diese nicht mehr oder nur sehr bewusst zu konsumieren, um sich selbst wieder besser zu spüren. Noch mehr Tipps für mehr Achtsamkeit mit dem Körper gegenüber gibt’s weiter unten.

Intuition als Ressource

In der westlichen Gesellschaft haben die Abwertung des Gefühls und die Höherschätzung des Verstandes eine lange Tradition. So grenzte sich der rationale Mensch vom instinktgeleiteten Tier ab. Dabei ist die Intuition, das Bauchgefühl, etwas, das jedem Menschen innewohnt. Unsere Urahnen hatten oft gar nicht die Zeit zum Nachdenken, um überlebenswichtige Entscheidungen zu fällen.

Aus der Organisationspsychologie ist bekannt, dass die Intuition bei besonderen Berufsfeldern wie Feuerwehr oder Polizei eine große Rolle spielt. In anderen Branchen ist das Vertrauen aufs Bauchgefühl eher verpönt und gilt als unprofessionell. Die Intuition kann aber für alle eine wertvolle Ressource sein. Vor allem bei komplexen Entscheidungen schlägt das Bauchgefühl die Ratio, wie eine Studie herausfand. Eine andere Studie hat sogar gezeigt, dass intuitive Entscheidungen die Stimmung positiv beeinflussen können.

Doch viele haben verlernt, auf den Bauch zu hören. Stattdessen „zerdenken“ sie Probleme, kommen zu keiner Lösung und verlieren so ihre Handlungsfähigkeit. Wie können wir es nun schaffen, wieder zurück zur Intuition zu finden? Fischers wichtigster Tipp lautet: sich weniger aufs Außen und mehr aufs Innen fokussieren. „Nur in der Ruhe können wir unseren Körper spüren und unsere innere Stimme hören.“ Dabei können verschiedene Tätigkeiten helfen, etwa mit Erde in Kontakt kommen durch Barfußlaufen oder Gartenarbeit, durch Körperübungen wie Yoga, Meditation oder Waldbaden und Eisbaden.

Im Berufsalltag empfiehlt Fischer, feste Zeiten zu definieren, zu denen man seine Mails checkt, anstatt immer erreichbar zu sein. „Die ständige Gleichzeitigkeit von Tätigkeiten und Informationseingängen überfordert unser Gehirn massiv“, nennt die Autorin ein Argument für den Digital Detox. Besonders wichtig sei das mentale Abschalten morgens und abends, weil man zu diesen Tageszeiten besonders intuitiv sei.

Zyklusorientiertes Arbeiten

Wieder mehr auf den Körper zu hören, ist insbesondere für Frauen mit einem natürlichen Menstruationszyklus wichtig. Jeden Tag gleich leistungsfähig zu sein, wenn man starken hormonellen Schwankungen ausgesetzt ist, ist schlichtweg unrealistisch. Im weiblichen Profisport ist man da schon weiter als in vielen anderen Berufssparten: Passen die Sportlerinnen ihr Training dem jeweiligen Hormonlevel an, sind sie leistungsfähiger und weniger anfällig für Verletzungen. „Warum sollten wir diese Erkenntnisse also nicht auf unseren Alltag anwenden?“, fragt Fischer. Sie verweist auf Länder wie Spanien und Japan, wo es gesetzlich geregelt ist, dass Frauen sich aufgrund von starken Einschränkungen wegen ihrer Regelblutung krankschreiben lassen können. Konzerne wie Nike und SAO haben bereits das zyklusorientierte Arbeiten etabliert.

Übrigens: Zyklusorientiertes Arbeiten betrifft nicht nur die Menstruation. Jeder Mensch hat einen individuellen Biorhythmus. Insbesondere bei Schichtarbeit ist es oft schwierig, die Arbeitszeiten an seinen zirkadianen Rhythmus anzupassen – was laut Studien zu gesundheitlichen Folgen wie Herz-Kreislauferkrankungen, Übergewicht oder Schwierigkeiten, schwanger zu werden, führen kann.

„Zyklusorientiertes Arbeiten kann also als Gesundheitsprophylaxe gesehen werden“, fasst Fischer zusammen. Wer seine Arbeitszeiten flexibel gestalten kann, sollte seinem Biorhythmus folgen. Wer diese Möglichkeit nicht hat, kann andere Maßnahmen treffen, um einen anstrengenden Arbeitstag auszugleichen: etwa früher schlafen gehen, auf besonders nährstoffreiches Essen achten oder sich eine Massage gönnen – je nachdem, wonach einem der Sinn steht und was im Alltag möglich ist.
Lesen Sie hier, wie zyklusbasiertes Training funktioniert.

Soft Skills für ein positives Arbeitsklima

Was sind Soft Skills eigentlich genau? Unter diesem Begriff versteht man persönliche und soziale Charaktereigenschaften sowie Fähigkeiten einer Person, die über das fachliche Know-how (Hard Skills) hinausgehen. Sie beruhen unter anderem auf Einstellungen und Werten, die es uns ermöglichen, produktiv mit anderen im Team zusammenzuarbeiten, und die zu einer positiven Arbeitsatmosphäre beitragen. Zu Soft Skillszählen etwa Engagement, Belastbarkeit, Motivation, Empathie, Kritikfähigkeit, Wertschätzung und Organisationstalent.

Und diese Soft Skills lassen sich trainieren. Fischer nennt einige Beispiele, wie wir alle zu einem angenehmen Arbeitsklima beitragen können: sich Geburtstage von Kolleginnen und Kollegen notieren und ihnen gratulieren, sich Details beim Smalltalk merken und sich beim nächsten Mal danach erkundigen oder bei persönlicher Kritik erst einmal eine Nacht darüber schlafen, bevor man sie äußert.

Gleichzeitig ist es Fischer aber ein Anliegen, dass Frauen nicht in die Kümmer-Falle tappen. „Radikale Fürsorge beinhaltet nicht nur die Sorge für andere, sondern an erster Stelle immer das Prinzip der Selbstfürsorge“, sagt sie. Das bedeutet also: Nicht nur zu anderen nett sein, sondern auch zu sich selbst. Nicht zu hart mit sich ins Gericht zu gehen, sondern sich selbst die beste Freundin zu sein. Auch wenn das manchmal heißt, zu anderen (freundlich) Nein zu sagen und Grenzen zu setzen.

„Circle of Life“ statt Karriereleiter

In anderen Kulturen ist es üblich, alles Leben als Kreislauf von Werden und Vergehen zu begreifen. Hingegen ist die westliche Kultur von einem linearen Zeitverständnis geprägt, das auch das Mindset in Bezug auf Arbeit beeinflusst. Es wird deutlich in dem Bild der Karriereleiter, die nur zwei Richtungen zulässt – nämlich den Aufstieg oder den Abstieg. Fischer plädiert dafür, das (Berufs-)Leben als Kreislauf zu verstehen: „Wenn wir uns mehr an Kreisen orientieren, erhalten wir ein anderes Denken, das viel mehr Spielraum für Möglichkeiten lässt.“

Lineare Lebensläufe, die wie auf dem Reißbrett geplant scheinen, werden jetzt schon immer seltener. Auf dem zweiten Bildungsweg noch einmal eine ganz andere Richtung einschlagen, ein „Gap Year“ nach der Matura oder dem abgeschlossenen Studium einlegen, um neue Erfahrungen zu sammeln, oder sich mittels Quereinstieges in bisher unbekannte Bereiche zu wagen – es gibt viele Möglichkeiten. In Kreisläufen zu denken, lässt auch die Angst vor falschen Entscheidungen schrumpfen und macht uns mutiger. „Das Schlimmste, was dir mit dieser Auffassung passieren kann, ist, dass du eine kleine Extraschlaufe drehst und es dann wieder irgendwie weitergeht“, sagt Fischer.

Kooperation statt Konkurrenz

Wer sich vom Bild der Karriereleiter verabschiedet hat, kann auch ein anderes verinnerlichtes Bild loslassen: das der Einzelkämpferin bzw. des Einzelkämpfers. Das befreit uns davon, uns in ständiger Konkurrenz zu Kolleginnen und Kollegen zu sehen und Durchsetzungsvermögen zu zeigen. „Geh in die Verbindung statt in die Isolation, denn darin liegt so viel mehr Kraft, Leichtigkeit und Freude. So macht Arbeiten Spaß und fühlt sich nicht mehr wie ein Kampf an“, rät die Autorin.

Wie können Unternehmen mehr Kooperation fördern und umsetzen? Etwa, indem Teams Entscheidungen gemeinsam treffen und Wissen geteilt wird. Es kann aber ebenso dazu führen, die Konkurrenz als einen inspirierenden und ergänzenden Partner ins eigene Business zu holen.

Auch im Privatleben profitieren wir von gelebter Solidarität, ist Fischer überzeugt. Eltern können sich mit anderen Mamas und Papas zusammenschließen und abwechselnd Engpässe bei der Kinderbetreuung abfedern. So entstehen freie Stunden, die man zum Arbeiten, für den Haushalt oder Selfcare nutzen kann.
Female Working
Wie wir weibliche Qualitäten als Ressourcen nützen
Von Veronika Fischer

Verlag: Kremayr & Scheriau
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